Mittwoch, 29. Dezember 2010
Wir verfehlten eine Ausfahrt, verirrten uns und hielten am Ende auf einer kleinen Landstrasse an. Wir hätten irgendwo ein Phantom beschaffen sollen, eines von diesen Übungsgeräten, mit denen die Samariter und die Sanitätssoldaten die Beatmung von Bewusstlosen üben konnten, einen zusammensetzbaren Kopf aus Kunststoff, mit beweglichem Kiefer und einer auswechselbaren Mund- und Nasenpartie aus Gummi, in deren Löcher man blies, um damit eine „Lunge“ zu füllen, ein Plastiksäcklein, das sich hob und senkte und nach einiger Zeit ausgewechselt werden musste, weil sich kleine Wassertropfen in ihm ansammelten. Ein solches Phantom nun fehlte uns dringend, wir waren nämlich beauftragt worden, ein solches Gerät für die Parteiarbeit zu holen, die sozialdemokratische Partei des Dorfes, in dem wir lebten, wollte ein solches Gerät, nicht in Ausleihe, sondern als ständigen Besitz. In unserer Verlegenheit sagten wir, wir würden ein Phantom selber herstellen, das sei ganz leicht. Man war ziemlich erstaunt über diese Ansicht und fragte uns, wie wir denn das machen wollten, mit etwas Lehm, sagten wir, mit Lehm würde das gehen. Man zeigte uns sodann einen Bauernhof, wo es vermutlich Lehm geben würde, wir waren uns aber am Ende nicht so sicher, ob wir damit tatsächlich ein Phantom fabrizieren könnten, und überlegten uns, wie wir uns am besten aus der Affäre zu ziehen vermöchten, vielleicht durch einen Austritt aus der Partei, dachten wir, und besahen uns nachdenklich ein grosses Buch, in welchem in schöner Blockschrift die Namen der Mitglieder verzeichnet waren, eine lange Liste voller ehrwürdiger Persönlichkeiten, aus deren Kreis wir uns doch wohl nicht verabschieden konnten.
Sonntag, 19. Dezember 2010
Wir leben in einer sehr strengen religiösen Ordnung, wer sich nicht zum wahren Glaubenbekennt, wird gnadenlos verfolgt, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Wir sehen, dass ein Kind beschuldigt wird, wollen es retten und fliehen mit ihm. Wir kommen aber nicht weit, denn wir gehen zu Fuss und die Verfolger sind in der Überzahl. Bewaffnete holen uns ein, wir entkommen, werden aber wieder gefasst. Eine Flucht ist völlig aussichtlos, wir ergeben uns. Was macht ihr jetzt mit uns, fragen wir. Müssen wir sterben? Nein, sagen die Sicherheitskräfte, diese harten Zeiten sind vorbei. Ihr werdet sicher streng bestraft, aber sterben müsst ihr nicht. Später stossen wir auf eine Bibelstelle, die uns tröstet und uns Hinweise für unser Verhalten gibt. Irgendwo im Alten Testament, an einer entlegenen Stelle, ist ein Text zu finden, der sich so auslegen lässt, dass man, wenn man in Zeiten der Verfolgung gezwungen wird, den Glauben zu verleugnen, diesen Glauben auch verleugnen darf oder sogar muss. Also, denken wir, ist uns eine weitere Existenz in diesem unduldsamen System möglich.
Dienstag, 14. Dezember 2010
Maturaklasse-Treffen, Grill-Party an einem Dorfrand, die Zusammenkunft ist ein grosser Erfolg, die alten Herren sind begeistert. Sie wollen gar nicht mehr auseinandergehen, sondern noch viel unternehmen und erfinden immer wieder neue Beschäftigungen. Genau genommen sind es aber etwas kopflose Bestrebungen, die vielleicht gerade deshalb sogar noch weitere Menschen anziehen, die mitmachen wollen. Wir sind unversehens eine grössere Gruppe, eine richtige „Bewegung“, für die wir nun auch einen Namen suchen. Es werden zwei Vorschläge gemacht, ein erster wird fallengelassen zugunsten des zweiten: „Die Eisenbahner“. Die Grillparty wird grösser und verläuft wunderbar, bis auf die Getränke. Es fehlen die Getränke, weil uns die Gemeinde die Bewilligung für deren Abgabe nicht erteilt hat. Dann aber, um Mitternacht, fehlt plötzlich eine uralte und leicht verwirrte Grossmutter, was zu einer grossangelegten Suchaktion in der weitläufigen Umgebung führt. Jetzt sind wir in unserem Element, wir streifen durch die Gärten und Wohnsiedlungen und durchsuchen auch ein abschüssiges und gefährliches Gelände am Rande des Dorfes. Die Grossmutter wird nicht gefunden, dafür gibt es jetzt Musik. Um zwei Uhr am Morgen nehmen kluge Köpfe eine Lautsprecheranlage in Betrieb, die Eisenbahner und die Zugelaufenen sind entzückt, stehen herum, hören Musik, man dreht die Boxen voll auf, bis eine „Eisenbahnerin“ herbeirennt und die Anlage abstellt, weil es heftige Reklamationen der Anwohner geben würde. Es ist zwei Uhr am Morgen, und haben das ganze Dorf aus dem Schlaf gerissen. Das sorgt nun doch für etwas Einsicht, und die Zusammenkunft findet gezwungenermassen langsam ein Ende. Es liegt aber noch viel Material und Abfall herum, Spielsachen für Kinder, Esswaren, ein Grill, und es ist nicht zu sehen, wer das alles aufräumen wird. Und die alte Frau wird noch immer vermisst. Trotzdem sind wir guter Dinge. Wir haben etwas geleistet, den Menschen hat es gefallen, und unsere Bewegung wird gewiss Zukunft haben. Wir „Eisenbahner“ sind Herren von altem Schrot und Korn, die noch wissen, wie man etwas anpacken muss. Solche Vorbilder fehlen heute, und wir sind überzeugt, dass unsere Bewegung eine Zukunft haben wird.
Freitag, 3. Dezember 2010
Wir sind Soldat, befinden uns mit anderen Kameraden in einem grossen kahlen Raum in einer Kaserne. Wir machen dort etwas sehr Dummes, begehen einen schweren Verstoss gegen die Dienstvorschriften, mit Beleidigung eines dieser unerbittlichen jähzornigen Vorgesetzten, die wir aus Filmen kennen. Die schwere Tür wird mit einem Knall geschlossen, der Schlüssel umgedreht, wir sind nun erst mal gefangen und haben vermutlich eine strenge Bestrafung zu erwarten. Es könnte eine sehr schwere Bestrafung geben, womöglich eine Auspeitschung mit Eisenketten, solche Strafen sind üblich, und sie können sogar tödlich enden. Wir sitzen fest und erwarten unruhig das Kommende, es ist nicht ganz sicher, was geschehen wird, vielleicht haben wir auch Glück und kommen ungeschoren davon, weil die hohen Herren andere Sorgen haben.
Montag, 29. November 2010
Schäbiges altes Theater, wir wollen hier eine Opernaufführung besuchen, steigen eine Holztreppe hinauf, die zur Galerie führt.Wir sind bestens angezogen, mit dunklem Anzug und Kravatte, ganz wie für ein grosses Opernhaus. Wir sind der erste Besucher, aber hinter uns folgt uns ein alter Herr mit zwei gebrechlichen alten Damen. Oben angekommen, sehen wir, dass ein billiger, hässlicher brauner Rollvorhang die Sicht auf die Bühne verdeckt. Wir finden die Schnüre zum Hinaufziehen des Tuches gleich oben bei der Treppe und ziehen den Vorhang hoch. Er gibt den Blick frei auf den leeren Theatersaal und die triste Holzbühne, auf der keine Kulissen zu sehen sind. Alles in allem ein ärmlicher Saal, unten stehen in Reihen hundsgewöhnliche Holzstühle, oben auf der Galerie hat es Holzbänke ohne Lehnen. Genau so oder eher besser sahen die Räume aus, in denen wir als Knabe die Familienabende der Pfadfinder besuchten und selbst an diesen auftraten. Jetzt soll aber eine grosse Oper gezeigt werden, denn hinter uns erscheint in Form der drei Alten ein gediegenes Konzertpublikum. Die tatterigen Damen sind als erste oben, eine von ihnen ist blind, tastet sich vor und berührt die Holzbrüstung, die nur schwach befestigt und eigentlich nur zur Zierde angebracht worden ist. Die Brüstung schwankt, und die Dame wäre in die Tiefe gestürzt, wenn wir nicht rasch eingegriffen hätten. Wir halten die Dame zurück und weisen ihr den richtigen Weg, nach links bitte, dort sind die Plätze. Sie dankt uns nicht, sondern stumm ihren Weg, gefolgt von der anderen Dame und dem Herrn, der sehr gelehrt und adornoartig aussieht, uns aber auch keines Blickes würdigt.
Samstag, 20. November 2010
Wir sind irgendwo unterwegs, beruflich, mit irgendwelchen Bekanntschaften, freundlichen Leuten. Wir haben in einem grossen Zentrum, einem Schulhaus oder einer Zivilschutzanlage, ein Seminar, stehen im Freien, auf dem wenig attraktiven Pausen- oder Appellplatz. Auf meiner Haut, am Oberschenkel, hat sich ein Fleck gebildet, er ist recht gross, dunkel und hart. Wir zeigen ihr einer Dame aus Schweden, die erzählt hat, sie sei Ärztin. Sie besieht sich den Fleck und erklärt, er sei ungefährlich und leicht entfernbar. Sie will ihn gleich entfernen, hebt ihn ab, löst ihn sorgfältig los. Es tut nicht weh, aber es zeigt sich, dass nun doch die gesamte Hauthülle und das zugehörige Fleisch entfernt wird und innere Organe sichtbar werden. Der Fleck befindet sich nun auch nicht mehr auf dem Oberschenkel, sondern auf der Brust, und er ist nicht mehr unser Fleck, sondern derjenige eines anderen Menschen, der ausgestreckt vor uns liegt, von Neugierigen umringt. Man sieht die inneren Organe, Teile der Lunge, des Magens, des Gedärms. Ob das nun nicht doch Komplikationen gibt? Es gibt sie. Die Sache ist gefährlich, der leblose Körper muss von Sicherheitsleuten bewacht werden, denn in ihm ist ein Tier versteckt, ein kleines, aber sehr kräftiges, ungewöhnliches Tier, etwas Extraterrestrisches, das grossen Schaden anrichten kann. Man transportiert den Kranken weg, will ihn einschliessen. Wir beobachten alles aus sicherer Distanz. Der Ausgang ist unklar, die Sache sehr bedenklich.
Donnerstag, 18. November 2010
Wir sehen auf der Stempelkarte eines Kollegen, dass er an einem Mittwoch von 4.25 Uhr am Morgen bis um 23.55 Uhr am Abend gearbeitet hat, ohne Unterbruch, 19 Stunden und 30 Minuten. Wir wagen es aber nicht, den älteren Herrn nach dem Grund zu fragen. Die lange Arbeitszeit wird sicher einen überaus triftigen Grund gehabt haben und eine Diskussion würde nur Zeit und Nerven kosten. Wir visieren also die Stempelkarte.
Mittwoch, 17. November 2010
Wir möchten eine bedeutende Sehenswürdigkeit besuchen, eine griechische Kirche, die auf einer Anhöhe steht. Es zeigt sich, dass wir sie heute nicht mehr besuchen können, es haben sich schon zu viele Besucher gemeldet, aber für morgen können wir uns anmelden, wir kaufen ein Billet, und zwar für vierzig Euro, das für morgen gültig ist. Eine ältere Dame, die daran ist, die Zugangstüren zum Park zu schliessen, der die Kirche umgibt, erklärt uns nun, dass es trotz des Billets schwierig sein werde, morgen einen Besuch zu machen, am besten sei es, wenn man sich schon um 8.30 Uhr anstelle, dann sei es ziemlich sicher, dass man um neun Uhr mit der ersten Gruppe eingelassen werde.
Donnerstag, 4. November 2010
Wir machen auf den Nachttopf, ein grosses Gefäss, das mit einer Cellophanfolie abgedeckt ist, die zunächst entfernt werden muss. Der Topf ist gross und sollte unser Pippi fassen können, auch wenn er schon halb voll ist. Das ist aber eine Fehleinschätzung, wir pissen viel, der Topf überläuft, der Vater steigt aus dem Bett und regt sich auf, die Mutter (unsere Gattin) schläft zum Glück weiter. Es entsteht aber nun eine grosse Sauerei, der Urin fliesst über und wird vom Teppich aufgesaugt, es bildet sich ein grosser gelber Ring um den Topf. Wir versuchen, die Bescherung mit Haushaltpapier zu trocknen, was aber nicht genügt.
Samstag, 23. Oktober 2010
Zwei lustige Gesellen, einer hässlich, einer schön und elegant im Stile eines Papagallo, sind unterwegs, kommen zu einer Bahnstation, die einsam im freien Feld steht, so ungefähr wie die Station Talheim, an der wir jeweils auf dem Weg zum Campingplatz an der Thur vorbeikamen, im Kindersitz, auf Vaters Velo. Bei diesem Bilderbuch-Bahnhöflein wartet ein Kunstphotograph, der von uns Aufnahmen macht. Das Szenario sieht gut aus, sehr modisch, sehr stilvoll, wir treiben Dummheiten, schneiden Faxen, posieren, während im Hintergrund, klein, unscheinbar, ein Mädchen vom Lande auf den Zug wartet.
Donnerstag, 7. Oktober 2010
Samstag, 2. Oktober 2010
Später ein Juristentraum, wir sind Verfasser einer langen, sehr gelehrten, subtilen juristischen Abhandlung über die Straffälligkeit von Schweizern im Ausland, über die Rolle der Strafverfolgungsbehörden und über die Möglichkeit, den Grundbesitz dieser Schweizer zu beschlagnahmen. Diese Möglichkeit ergibt sich bei uns bereits bei Verdacht, bei Verdacht wird der Grundbesitz in ein Lehen umgewandelt und vom Staat treuhänderisch verwaltet.
Samstag, 25. September 2010
Wir sind Forschungsassistent, arbeiten an einem Institut, das einen guten Ruf hat, aber sehr unkonventionell geführt wird. Es besteht aus einer grossen Wohnung, in welcher eine kluge und schöne Professorin auch gleich lebt, es herrscht ein grosses Durcheinander, in den Studierzimmern liegen Bücher am Boden, Sofas und Möbel stehen quer in den Räumen, die Küche ist verschmutzt, viel Geschirr steht herum, Pfannen, Weingläser, das alles sollte abgewaschen werden, aber es ist nicht zu sehen, wer dafür verantwortlich ist. Wir haben unerklärlicherweise viel Kredit bei der blonden Superfrau, die hier wichtige Studien leitet, sie liegt in ihrem grossen Bett und lädt uns ein, uns auf den Bettrand zu setzen. Sie richtet sich auf und sieht uns in die Augen. Wir sehen, dass ihre wunderschönen blauen Augen aus der Nähe betrachtet künstlich sind, ein Auge ist ganz gläsern, beim anderen fehlt sogar die Pupille, an deren Stelle es einfach nur ein kleines schwarzes Loch hat, das direkt ins Innere des Kopfes führt. Die Professorin fasst uns an, und auch wir berühren sie, legen unsere Hände auf ihre Schenkel. Eigentlich sollten Forschungen besprochen werden, Buchprojekte, bahnbrechende Unternehmungen, wir haben aber keine Ahnung, haben nie eine Ahnung gehabt, um was es denn gehen könnte, wir sind einfach da und tun so, als ob wir alles verstünden und wichtige Beiträge leisten könnten. Später beginnen wir aufzuräumen, wollen etwas Geschirr abwaschen, verursachen damit aber einen Brand. Die Küche brennt, auch in anderen Räumen gibt es kleine Brandherde, das Haus ist alt, es gibt Holzbalken, die in Brand geraten, Rauch durchzieht das Institut, das ist aber weiter nicht von Bedeutung. Die Professorin bleibt ruhig, macht uns keine Vorwürfe, sondern ruft der Feuerwehr an, die Feuerwehr wird das alles löschen und wieder in Ordnung bringen.
Freitag, 24. September 2010
Wir sind zu Besuch auf einer Grossbaustelle und besichtigen einen mächtigen Kran. Dieser kann gewaltige Gewichte bewegen, zum Beispiel auch grosse Lastwagen, die er von einer Fahrbahn auf eine andere, höher gelegene Strasse stellen muss. Wir werden eingeladen, den Kran zu besichtigen und dürfen mit einem seiner beweglichen Arme in die Höhe fahren, in eine Art von Kommandokapsel. Dort bedeutet man uns, dass wir gleich auch eine Reise unternehmen können. Die Kapsel ist kugelförmig und besitzt einzelne Sitze, wo wir uns nun, leicht beunruhigt, festschnallen müssen. Wir befürchten, dass man uns die Beweglichkeit des Krans demonstrieren will und uns eine Fahrt bevorsteht, wie sie bei den schrecklichen grossen Karussells angeboten wird, wo wir selbstverständlich nie teilnehmen würden. Die Kapsel fährt tatsächlich raketengleich in die Höhe, steigt immer höher und fliegt nun sogar mit rasender Geschwindigkeit. Unter uns sind sofort die höchsten Gipfel der Alpen, die wir aus nächster Nähe sehen können. Wir landen sogar auf einem der Gipfel, wo sich ebenfalls eine Baustelle befindet, irgendeine grosse Anlage wird hier gebaut, mit Tunnels, Mauern und klobigen, in den Fels hinein gebauten Gebäuden. Wir sind auf 4000 Metern Höhe. Wir dürfen aussteigen. Es ist kalt, unsere leichte Kleidung ist nicht ideal, schützt uns aber doch, weil es Hochsommer ist und die Temperatur leicht über null Grad liegt. Man zeigt uns die Baustelle und will dann mit uns zurückfahren. Wir fragen, ob wir nicht auch noch schnell auf dem Gipfel des Matterhorns, das sich in der Nähe befindet, landen könnten. Man sagt uns, dass das leider nicht möglich sei, der Gipfel sei zu klein für eine Landung, und es würden sich dort auch immer so viele Bergsteiger aufhalten, dass wir auch aus diesem Grund den Gipfel nicht besuchen könnten. Wir fahren aber immerhin nahe an ihm vorbei und sehen tatsächlich Gruppen von Bergsteigern bei der Rast.
Montag, 13. September 2010
Wir nehmen an einem Anlass teil, im Ausland. Eine einfache, dörfliche Abendunterhaltung. Ein kleiner Saal eines Gasthofes oder Gemeinschaftszentrums füllt sich langsam mit Leuten, alle aus der Umgebung, alle unbekannt. Es sind aber, wie wir wissen, auch einige Schweizer eingeladen, hohe Beamte, vielleicht sogar Bekannte von uns, die hier in der Gegend in den Ferien sind. Da wir die ersten Schweizer sind, die eintreffen, wollen wir einen Tisch für die anderen reservieren. Es gibt zur Bühne hin vier lange Tischreihen, die aus zwei durch einen Mittelgang getrennten Tischen bestehen, an denen je etwa zwanzig Leute Platz nehmen können. Die ersten drei Tischreihen sind schon besetzt, die vierte aber noch leer. Wir wollen den hinteren Tisch reservieren und setzen uns dort auf einen der vorderen Stühle. Nach ein paar Minuten erscheint die Bundespräsidentin, lachend, fröhlich und unbefangen wie immer. Sie grüsst uns und setzt sich ohne weiteres neben uns. Wir stellen uns vor, meine Frau, ich selber, es freut sie, uns zu treffen. Sie hat sogar eine Gitarre mitgenommen und wird, wenn es gewünscht werden sollte, auch selber etwas zur Abendunterhaltung beitragen. Jetzt geht sie wieder hinaus, niemand hat sie erkannt, die Leute hier wissen nicht, dass die schweizerische Bundespräsidentin anwesend ist. Es ist noch alles ganz unklar, wir haben keine Ahnung, was jetzt weiter geschieht, was genau an diesem Abend geboten werden soll. Wir wissen auch überhaupt nicht, wie wir uns den ganzen langen Abend lang mit der Bundespräsidentin werden unterhalten können, die ja jetzt neben uns sitzt, sie ist so fröhlich und gesellig, wir hingegen schweigsam und pessimistisch.
Freitag, 10. September 2010
Mittwoch, 8. September 2010
Sonntag, 5. September 2010
Wir sind mit einer von unseren Katzen unterwegs, haben einen kleinen Aufenthalt in einem Hotel, über den Mittag, wir wollen uns ausruhen und haben ein Zimmer genommen, das wir aber nicht weiter in Anspruch nehmen, die Betten lassen wir unberührt. Die Katze ist von der Reise sehr angespannt, wir versuchen sie zu beruhigen, sie ist sehr schön, eine Perserkatze von der Art Arthurs, aber mit farbigerem Fell, fast tigerartig. Wir halten sie, sie kratzt uns, wir versuchen, ihr klar zu machen, dass man nicht kratzen sollte, erklären ihr, was Kralle heisst, zeigen ihr ihre Krallen, zeigen ihr auch, was kratzen heisst, sie scheint das offensichtlich zu verstehen, sie entspannt sich zusehends und scheint zu lächeln. Dann sollten wir aufbrechen, die Katze springt aber noch weg, in ein anderes Zimmer, das frei ist, wir schliessen sie dort ein, damit sie nicht mehr entwischen kann, und wollen noch die Hände waschen, aus dem Hahn kommt aber vorerst braunes Dreckwasser, wir warten und lassen das Wasser laufen, es wird sicher bald sauber sein. Das Hotel ist nicht billig, es hat hundert Euro gekostet, da werden wir doch wohl auch die Hände waschen dürfen. Wir übersehen aber, dass auch der Ablauf verstopft ist, am Ende überfliesst die Badewanne, eine grosse Wassermasse überschwemmt das ganze Zimmer, fliesst über die zwei Betten hinweg, alles wird verschmutzt, wir versuchen, den Unfall dem Hotelpersonal zu melden, es ist aber niemand zu finden, die Frau, der wir winken, weil mir annehmen, dass sie zum Hotel gehöre, ist ein Hotelgast und geht entrüstet weg.
Sonntag, 22. August 2010
Wir gehören zum Schiedsrichtertrio, das den Final der Fussballweltmeisterschaft leiten soll und befinden uns auf der Fahrt zum Stadion. Seltsam ist das gegangen, wir wissen gar nicht wie, jemand hat uns vor ein paar Wochen ein Horoskop gestellt, sagen wir, das geht jetzt in Erfüllung. Man hat uns gesagt, wir würden mit vielen berühmten Menschen in Kontakt kommen, das wird jetzt geschehen, wir werden vor dem Spiel die Hände der elf Engländer schütteln, das sind alles ganz berühmte Leute. Im übrigen, sagen wir zu den Kollegen, müssen wir aufpassen, es werden viele Kameras auf uns gerichtet sein und uns aufnehmen, auch wenn wir es nicht gewahr werden, also passt bitte auf. Milliarden Menschen werden uns sehen. Also nicht in der Nase grübeln. Wir sind im übrigen auch etwas komisch gekleidet, wir tragen einen Anzug, wie es sich gehört, aber über dem Hemd noch einen ziemlich schäbigen, billigen hellbraunen Pullover, der passt natürlich gar nicht zu diesem Anlass. Die gediegenen Engländer, die uns im Fernsehen sehen werden, werden entsetzt sein, wenn sie diesen Pullover sehen. Wir ziehen ihn deshalb noch aus, aber sehr elegant sehen wir jetzt auch nicht aus, wir tragen ein hellgrünes Hemd und eine dunkelrote Kravatte.
Mittwoch, 18. August 2010
Die schöne Frau ***, freisinnige Nationalrätin, ist in den USA zum Tode verurteilt worden. Wir sind in der Nähe und sehen, wie sie zu Presseleuten spricht. Das Urteil ist ganz unverständlich, ein offensichtlicher Irrtum, aber sie will es hinnehmen. Denn wie alles, was aus den USA kommt, muss auch das Rechtssystem akzeptiert werden. Sie wird in wenigen Minuten ruhig sterben, wir können sogar zusehen, man führt sie aus dem Gefängnis heraus ins Freie, die Hinrichtungen mit Gas erfolgen neuestens im Freien. Man stellt eine Schale vor ihr Gesicht, in die man das Gift giesst, das dann, wenn der Wind die Dämpfe nicht wegbläst, eingeatmet werden muss. Frau L. kriegt eine grosse Dosis Gift, aber nicht genug, um sofort zu sterben. Sie bleibt noch längere Zeit am Leben, die Ärzte lassen sie weiter in ihrem Stuhl sitzen und warten auf das Ende, das bald kommen sollte, wie man uns sagt. Wir gehen weg, kommen zu grossen Zelten, in denen eine seltsame Sportart betrieben wird. Etwa ein Meter über dem Boden sind Blachen gespannt, eine weite, unruhige, bewegliche Fläche, auf der man nun gruppenweise mit Rollschuhen fährt, eine sehr mühselige Art von Kunstlauf, der bewertet wird. Wir und andere Zuschauer befinden sich auch auf den Blachen und müssen zusehen, dass wir nicht von den ihre Künste vorführenden Gruppen überfahren werden.
Mittwoch, 11. August 2010
Wir sind Bibliotheksdiener bei einer kirchlichen Institution und liefern einer anderen Bibliothek Akten ab. Einige Dokumente bestehen aus einzelnen Kapiteln des Buches von Romano Guardini, Der Herr. Der Bibliothekar, der die Akten entgegennimmt, ist wie wir selber auch Wissenschafter und Würdenträger, kennt aber zu unserem Erstaunen den Herrn nicht und nimmt die Papiere ohne grosse Begeisterung in Empfang. Sie befinden sich im übrigen auch nicht in guter Ordung, denn jedes Kapitel ist als einzelnes Aktenstück vorhanden und nicht nummeriert. Die Seitenzahlen fehlen, die richtige Reihenfolge der Kapitel könnte nur dann hergestellt werden, wenn sich unter den Akten auch ein Inhaltsverzeichnis finden würde. Weiter übergeben wir Ausschnitte aus einer kirchlichen Zeitschrift, jeweils nur eine Spalte, auf der eine Kolumne zu finden ist von einem Pater, den wir nicht kennen. Es ist sehr fraglich, ob es Sinn macht, diese Schnipsel, die sich zwischen den Kapiteln des Herrn befinden, aufbewahren muss.
Donnerstag, 5. August 2010
Alp. Auf einer kleinen Ebene gibt es einige wenige Häuser, weiter oben haben wir in abfallendem hügeligen Gelände unser kleines Zelt aufgestellt. Als wir zu ihm zurückkehren wollten, sehen wir zunächst kleine, dann immer grössere Rüfenen, Lawinen aus Geröll und feuchter Erde, die langsam zu Tale kriechen. Wir gehen zurück, wollen die Alpbewohner warnen, die unsere Beobachtungen aber nicht so recht glauben wollen. Wir nehmen eine Schaufel und wollen rasch zurück, eine junge Frau ist nämlich im gefährdeten Gebiet, ob in unserem Zelt oder ihrem ist nicht ganz klar. Es besteht die Gefahr, dass sie verschüttet worden ist. Die Schlammlawinen sind nun viel grösser geworden und wälzen sich meterhoch talwärts, zum Zelt kommen wir niemals mehr zurück. Auf dem Weg stossen wir auf einen “Sprengmeister”, der eine grosse Sprengung vorbereitet, uns aber nicht sagen will, wann die Sprengung erfolgen wird. Er hält einen Plan in seinen Händen, faltet ihn und steckt ihn in seine Tasche. Später ergibt sich eine Schlägerei bei einem riesigen Bagger, der beim Ausbau einer Strasse verwendet wird und möglicherweise die Rüfenen verursacht hat. Wir wollen den Bagger zum Stillstand bringen, es entsteht ein Kampf unter mehreren Männern, die sich in der Baggerschaufel befinden. Die Schaufel bewegt sich, recht schnell, die Männer fliegen durch die Luft. Am Ende erscheint eine für Terrorismusbekämpfung ausgerüstete Polizeieinheit und schützt unbegreiflicherweise die Baggerführer. Wir protestieren, machen sie auf die Gefährlichkeit des Baggers aufmerksam, erhalten aber die Antwort, dass die Polizei den Auftrag habe, die bestehende Ordnung zu schützen. Die Polizisten sind schwer bewaffnet und maskiert, mit Masken in Form von Pferdeköpfen.
Dienstag, 3. August 2010
Wir haben, obwohl wir nicht Klavier spielen können, ein Konzert angekündigt. Wir wollen ein höchste Ansprüche stellendes Klavierkonzert von Alexander Skrjabin aufführen. Ein Saal ist bereit, die Aufführung soll am frühen Morgen stattfinden, an einem Werktag, vor Beginn der Arbeitszeit. Wir wissen, dass wir kläglich versagen werden, halten aber doch an der Ankündigung fest, in der vagen Hoffnung, dass uns vielleicht doch die entsprechenden Fähigkeiten noch geschenkt werden. Wir halten die Noten ständig in den Händen, können sie aber wegen ihrer Komplexität in keiner Weise verstehen. Am Tag des Konzertes versammeln sich viele Leute, vor allem auch Bekannte und Arbeitskollegen. Einige haben schon Platz genommen, andere drängen sich vor dem Eingang. Da entschliessen wir uns nun doch, die Aufführung ohne Begründung abzusagen. Das führt interessanterweise nicht zu grosser Unruhe oder Klagen, auch nicht zu hämischen Bemerkungen. Man nimmt die Absage hin und geht zur Arbeit. Wir hören nur von einer einzigen negativen Bemerkung. Eine Arbeitskollegin, von der wir nie vermutet hätten, dass sie sich für Musik interessieren würde, habe, als sie von der Ankündigung gehört habe, sehr negativ reagiert, habe gelacht und erklärt, das sei grosser Unfug. Jetzt aber erfüllt uns ein gewisser Stolz, dass wir so etwas Dummes haben machen und veranstalten können und dass viele Menschen offenbar auch geglaubt haben, es würde ein Konzert geben.
Donnerstag, 29. Juli 2010
Wir waren in China, im kaiserlichen Palast, zunächst nur zu einer gewöhnlichen Besichtigung, wie sie für Touristen möglich ist. Wir bewunderten den kunstvollen Aufbau der riesigen Säle, die alle einen spiegelglatten, leicht abfallenden Holzboden besassen, der so angelegt war, dass man von einem bestimmten Punkt des Palastes auf einem Rollbrett oder mit Rollschuhen mühelos und mit Notfall sehr schnell die längsten Wege zurücklegen konnte. Wir erwarteten nicht, dass man uns zur kaiserlichen Familie führen würde, wir dachten, dass es diese doch gar nicht mehr geben würde, wurden nun aber plötzlich in die Ecke eines riesigen Saales geführt, in wel-cher auf einem Altar neben vielerlei Fläschchen, Kerzen, Kreuzen und Vasen auch allerlei unheimliche Kinder- und Tierfiguren standen, die zu leben schienen. Man deutete auf eine kleine Kröte mit flachem, breitem Maul und sagte, dass dies der Kaiser sei. Wir schreckten zurück, und die seltsame Besichtigung ging weiter, man zeigte uns gleich neben dem Altar eine kleine Türe, die in eine Kellerwohnung hinunterführte, in welchem, wie in einem armseligen Irrenhaus, einige in weisse Tücher gekleidete ältere Männer und Frauen her¬umgeisterten. Dies sei in Wahrheit die kaiserliche Familie, sagte man uns, die Ausstellungsstücke nebenan seien nur für die Verehrung durch das Volk bestimmt.
Montag, 19. Juli 2010
Wir leben einsam in einer Siedlung am Meer. Wir haben sogar Sicht auf das Meer, sehen aber nur einen Ausschnitt, weil uns vor unserem Fenster ein Vorbau die Aussicht versperrt. Es ist Abend. Wir gehen noch hinaus, für einen kleinen Spaziergang auf dem langen Quai. Die Sonne ist schon untergegangen, aber die Leute sitzen noch da, lehnen sich gegen eine kleine Mauer und strecken die Beine aus auf dem Sand. Wir gehen langsam an ihnen vorbei, hören gerne die paar Worte, die sie wechseln. Eine junge Frau sagt energisch und mit heller Stimme: Je m’en fiche! Wir lieben diese französischen Wortfetzen und würden uns gerne in die Nähe setzen, um die Unterhaltung weiter zu verfolgen, wagen es aber nicht und gehen weiter.
Sonntag, 18. Juli 2010
Mitternacht, Spital, vor einigen Tagen sind wir operiert worden, jetzt könnten wir eigentlich nach Hause gehen, sind aber offensichtlich vergessen worden, denn seit zwei Tagen haben wir keinen Arzt mehr gesehen. Wir handeln daher auf eigene Verantwortung und wollen verschwinden, wir packen unsere Sachen zusammen, ziehen, über das Pijama, den Mantel an und gehen aus dem Zimmer. Im Gang treffen wir einen dunkelhäutigen Assistenzarzt, der hier ein Praktikum als Endokrynologe absolviert und sich auch um uns gekümmert hat. Wir sagen ihm, dass wir nach Hause gehen würden, fragen aber noch, ob denn die Frau Doktor Moser, die uns behandelt hat, nicht doch vielleicht da sei. Ja, sie sei da, sagt er, er hole sie gleich. Sie kommt, eine ältliche, müde, stets etwas zerstreute Frau, sie ist sehr besorgt um uns, will noch mit uns reden und schlägt vor, doch noch hinaus in ein Café zu gehen. Wir gehen hinaus, in eine grosse fremde Stadt, überqueren breite Strassen und leere Plätze. Die Restaurants, die es hier hat, sind zu dieser späten Stunde geschlossen oder sehen wenig vertrauenswürdig aus. Wir gehen weiter, in Richtung Bahnhof, wohin ich sowieso gehen muss. Am Ende gelangen wir zu einem Wohnblock, in welchem die Frau Doktor wohnt, und sie schlägt nun vor, dass wir doch bei ihr etwas essen könnten. Sie führt uns in ihre schäbige kleine Wohnung und will uns etwas Besonderes kochen, eine Art Omelette. Dazu benötigt sie aber einen Pinsel. Wir finden einen Pinsel, der allerdings zum Malen gebraucht worden und voller schwarzer Farbe ist. Sie bittet uns, diesen Pinsel zu reinigen, während sie Eier aufschlägt. Wir gehen zum Lavabo, sehen aber keine Möglichkeit, diesen dick mit Farbe beschmutzten Pinsel so zu reinigen, dass er nachher zum Kochen hätte verwendet werden können. Brauchen sie wirklich einen Pinsel, sagen wir, nicht unbedingt, sagt sie, nein, es gehe auch mit einer Gabel oder einem Löffel. Dann nimmt sie Aufschnitt aus dem Kühlschrank, den sie, wie sie sagt, vor unserem Spitaleintritt gekauft habe. Das Datum sei abgelaufen, aber das Fleisch könne trotzdem verwendet werden. Das alles ist reichlich chaotisch, die Ärztin hat einen guten Ruf, lebt aber nur für ihre Arbeit und scheint kein Privatleben zu haben. Wir wissen nicht, warum wir jetzt bei ihr zu Hause sind. Hübsch ist sie nicht, für uns kommt eine Verbindung nicht in Frage. Was sie denkt, wissen wir nicht. Wir bedauern, dass wir mit ihr gegangen sind und möchten so schnell wie möglich weg, möchten den noch sehr weiten Weg zu unserer Wohnung unter die Füsse nehmen, wissen aber, dass es dort auch nicht besser aussieht als bei der Frau Doktor, auch wir haben ein Chaos, sind nicht in der Lage, den Anforderungen des Lebens zu genügen.
Montag, 12. Juli 2010
Wir sind Soldat in einer streng geführten, hervorragend organisierten deutschen Armee und desertieren. Trotz der Aussicht, bei einer Kontrolle sofort erschossen zu werden, bewegen wir uns frei in einer grossen Stadt, man wird auf uns aufmerksam, wir fliehen, unsystematisch und ohne Aussicht auf eine wirklich erfolgreiche Flucht, in einen Stadtpark und erblicken dort an einem kleinen Kanal eine grossbusige Dame, die sich neugierig nach uns umdreht und ihr Bikini zurechtrückt. Wir müssen aber weiter, rennen mit einigem Bedauern über die uns aufgezwungene Eile über einen kleinen, wackeligen Steg und gelangen auf eine grosse Wiese, an deren Ende mehrere mit Soldaten besetzte Jeeps auffahren. Wir haben keine Angst, denn wir können uns ja bei Bedarf unsichtbar machen. Zu diesem Mittel müssen wir nun greifen. Die Soldaten scheinen allerdings von unseren Fähigkeiten Kenntnis zu haben und versuchen, den unsichtbaren Körper einzukreisen und zu packen. Mit viel List und Geschicklichkeit gelingt es uns, uns zwischen andere Passanten zu drängen und so zu entwischen. Später bemerken wir aber, dass unser Schatten sichtbar ist, und dass dies auch unsere zackigen und kriegerischen Verfolger gesehen haben, sie scheinen aber aus einem unerklärlichen Grund das Interesse an uns verloren zu haben und haben sich von uns abgewandt.
Samstag, 10. Juli 2010
Ihm hatte kürzlich geträumt, er sei bei einer Prostituierten. Diese bot ihm ohne zu fragen eine ihn überraschende neue Dienstleistung an. Sie strich sich eine Handvoll weissliche, nach Spital riechende Salbe in den Mund, offenbar ein Antiseptikum, und begann ihn darauf zu küssen. Ihr Vorgehen war so selbstverständlich, dass er keinen Einspruch zu erheben wagte, ihre von der Salbe umflossene Zunge erregte ihn rasch, sie steckte sie tief in seinen Mund, und er begann, die schnellen Bewegungen dieser Zunge kraftvoll zu erwidern. Das muss so sein, dachte er, das muss genau so sein. Wir wollen diese Zungen in unserem Mund, und wenn sie voller Salbe sind, dann sind sie eben voller Salbe, wenn es aus medizinischen Gründen nicht anders geht. Diese so überaus diensteifrige Dame hatte ihm vorgängig auch ihren grossen schmalen langen Busen gegen den offenen Mund gehalten, wobei dieser Busen überraschenderweise ganz gut in den Mund passte, den Mund ausfüllte und sofort tief in die Kehle gedrungen war.
Dienstag, 6. Juli 2010
Und in einem anderen Traum bewegte ich mich in einer Stadt unter vielen Leuten, die an Mauern gedrängt auf den Strassen lagen oder in halboffenen, kaum gedeckten, ebenerdigen Kojen wohnten. Es gab in diesem Teil der Stadt keine Häuser, sondern nur Mauern und Plätze, es war nicht so ganz klar, wohin mein Weg führen sollte. Was klar war, war nur, dass dieser Weg durch Öffnungen führte, die in die Mauern gebrochen worden waren, manchmal auch durch Türen und durch Portale, die aus früheren besseren Zeiten übriggeblieben waren. Man erklärte mir, und dies war ein Freund¬schafts¬dienst, auf den nicht jeder Anspruch erheben konnte, dass ich aufpassen müsse, man wolle mich zusammenschlagen. Als ich eine blonde, kurzhaarige, nicht mehr ganz junge Frau antraf, die, wie ich wusste, der gleichen Organisation angehörte wie ich, bestätigte sie mir diese Drohungen, sie erklärte mir sehr bestimmt, dass es jetzt eben mit blossem Zynismus und verbaler Bosheit vorbei sei und neue Leute an der Spitze stehen würden, die sich nicht scheuen würden, Gewalt anzuwenden. Was diese Leute denn wollten, fragte ich. Leben, sagte sie, leben, diese Leute wollen doch nur leben, und ihr Gesicht verzog sich zu einem grossen, heftigen Grinsen, und sie eilte sehr geschäftig davon. Durch eines der Portale marschierte nun ein Trupp dieser neuen Ordnungshüter auf mich zu, es waren in schwarzes Leder gekleidete, mit Schlagstöcken und diversen anderen Waffen ausgerüstete Schlägertypen. Sie nahmen mich aber kaum wahr, sondern bogen vor mir ab. Ich sah, dass sie in ihrer Mitte einen der Ihren auf einem grossen Sessel mit sich trugen. Der Mann trug eine schwarze Uniform, war unförmig dick und bewegte sich nicht. Die Gruppe marschierte über den Platz und machte vor einem Mauerstück halt, das mit Bildern beklebt und mit vielen weissen Blumen geschmückt war. Man setzte den Sessel des Schlafenden oder vielleicht auch Toten ab und blieb längere Zeit regungslos und wie betend stehen. Ich wartete das Ende dieser Andacht nicht ab, sondern eilte weiter. Ob die Drohungen wohl ernst zu nehmen waren? Was hätte man mir zur Last legen können? Wenn man mich vor ein Gericht gestellt hätte, so schien es mir, hätte sich nichts als eine vollkommene Harmlosigkeit ergeben, nichts als eine vollkommene Unschuld. Aber Harmlosigkeit und Unschuld, das war mir klar, hätten die wilden Gewalten, die hier am Werk waren, natürlich nicht besänftigen können, im Gegenteil, sie würden sie erst recht reizen. Das Beste war demnach, nicht aufzufallen. Das Beste war, hier wie alle anderen weiter seinen Weg zu gehen, nicht zu rasch, nicht zu langsam. Und jeden Tag den gleichen Weg.
Samstag, 3. Juli 2010
Wir besuchen ein Fussballspiel, die Schweiz spielt in einem riesigen Stadion gegen Deutschland. Wir verlieren uns in den ungeheuren Massen der Besucher, kommen gar nicht bis zum Stadion, sondern werden in einem weitläufigen Gelände festgehalten. Viele haben keine Tickets, wir allerdings haben eines, es ist gültig für eine ganz besondere, sehr gute Kategorie von Sitzplätzen, es ist ein Platz auf einem Heuwagen. Man führt uns zu einem Anhänger, auf welchem sich quadratische Stohballen befinden, auf denen die Besucher Platz nehmen können. Wir setzen uns zuerst zuvorderst auf die unterste Sitzreihe, entschliessen uns aber, als immer mehr Leute auf den Wagen steigen, nach hinten auf eine höhere Sitzreihe zu klettern. Am Ende sitzen wir in grosser Höhe, vielleicht zehn Meter über der Erde, auf schwankenden Ballen und ohne Geländer, in grossem Gedränge. Links von uns hat sich eine kräftige Frau gesetzt, die gegen uns gepresst wird, was sich gut anfühlt. Wir versuchen, ihre Züge zu sehen, sie dreht sich um und sieht ganz rassig aus. Wie soll es nun weitergehen? Das Spielfeld ist nicht zu sehen, Menschen strömen weiterhin an uns vorbei. Jetzt werden wir offenbar zum Stadion gefahren, unser Heuwagen wird von einem Truck weggezogen. Das Gefährt zittert und wankt gefährlich, die Strohballen drohen auseinanderzufallen und mit allen Insassen in die Tiefe zu purzeln. Der Chauffeur fährt unvorsichtig und gibt zuviel Gas, der Anhänger in zwei Teile zerissen wird, einige Menschen fallen auf die harte Erde, ein Teil fährt mit dem Laster weiter, wir befinden uns auf dem hohen hinteren Teil des Wagens, der stehen geblieben ist. Die Ballen sind in Unordnung geraten und fallen jetzt mit allen Besuchern auseinander, wir stürzen auf den harten Erdboden, einige von uns verletzen sich, wir aber können aufstehen und wollen nun zu Fuss zum Spiel gehen. Das ist aber nicht möglich, es scheint, dass Unruhen im Gang sind. Aktivistinnen rennen über den Platz, verfolgt von Polizeikräften. Die Frauen sind nicht weiter gefährlich, sie werfen aber Knallfrösche in alle Richtungen und versuchen so, weitere Unruhe zu stiften. Hinter uns liegt eine Verletzte, sie hat grosse Schmerzen und schreit. Es ist nicht zu sehen, wo und wann es hier ein Fussballspiel geben sollte.
Montag, 28. Juni 2010
Die ganze Familie rast in einem sehr schnellen, wendigen, aber auch kleinen Helikopter hoch über Wäldern dahin. Ich muss, weil es nicht anders geht und kein besserer Platz vorhanden ist, auf dem Bauch liegen, wobei Kopf und Beine frei in der Luft schweben. Es ist weniger gefährlich als es aussieht, wir stürzen nicht ab, haben aber schreckliche Angst vor einem Unfall. Wir landen schliesslich sicher, und am Boden zeigt der Helikopter seine ausserordentlichen Fähigkeiten, indem er sich leicht auf die Seite neigt, zur Gattin, und sich tätscheln lässt.
Sonntag, 27. Juni 2010
Es findet eine grosse Versammlung statt, eine Art Kongress, es geht um zentrale Staats- und Verfassungsfragen. Wir haben eine wichtige Mitteilung zu überbringen, erscheinen erst spät, nach langen Diskussionen, um Mitternacht. Im Vorzimmer empfängt man uns ehrerbietig, nimmt unseren Mantel entgegen und führt uns sogleich in den Verhandlungraum. Draussen auf der Strasse trabt dabei Kavallerie herbei, die Hufschläge widerhallen in der nächtlichen Stadt. Im Saal sitzen um einen langen Tisch vielleicht fünfzig Würdenträger, hinter ihnen stehen Diener und Sekretäre. Es sieht dies alles nach einem früheren Jahrhundert aus. Man führt uns an obere Ende des riesigen Tisches, zu den Herren, welche die Versammlung leiten. Wir sind nicht genau im Bild, kennen nicht alle Details, es scheint aber, dass wir eine wichtige Mitteilung zu verkünden haben, ein Edikt, eine Deklaration oder Proklamation, mit der sich neue Machthaber an die Untertanen wenden. Wir wissen nicht, um was es geht und wer neu an der Spitze des Staates steht. Aber der Stille im Saal, dem Ernst und der Ehrfurcht auf allen Gesichtern entnehmen wir, dass wir selber eine sehr wichtige Rolle spielen, selber wohl der neue König sind.
Dienstag, 22. Juni 2010
Wir sind in einer uns kaum bekannten Gesellschaft, die skifahren geht. Wir müssen auch mit, ob wir wollen oder nicht. Da es in der Gegend unseres Hotels keinen Schnee mehr gibt, fahren wir mit einem Bus in ein anderes Tal, wo es einen Skilift gibt, der in höhere, schneesichere Regionen führt. Wir haben, was ganz dumm ist, die Skijacke vergessen und stehen nun ohne Jacke beim Skilift an, der in grosse Höhen führen wird. Es ist ein sonderbarer, sehr unbequemer Lift. Die Skifahrer müssen sich direkt am Seil halten und ohne Skis mit den Füssen auf einem Stab stehen, der nicht unter ihnen, sondern weit vor ihnen angebracht ist, sodass sie in fast waagrechter Haltung hängend fahren. Das kostet, wie wir sofort merken, sehr viel Kraft. Es ist unklar, ob wir die lange Reise aushalten, und sicher werden wir uns ohne Jacke furchtbar erkälten. Den schwierigen Start haben wir immerhin erfolgreich bewältigt, wir mussten uns zunächst am Seil halten, wurden so frei schwebend über eine etwa drei Meter hohe Mauer gehoben und konnten erst dann auch die Füsse auf die Stäbe stellen.
Donnerstag, 17. Juni 2010
Wir sind in einer Wohnung, sie gleicht der Wohnung, in welcher wir als Kind gelebt haben, eine Vierzimmerwohung, eingeschossig, alle Zimmer erreichbar vom Eingangsbereich her. Es ist Nacht, wir stehen auf, um auf die Toilette zu gehen, werfen einen Blick ins Zimmer, in dem die Gattin schläft. Dieses Zimmer ist leer, die Gattin ist nicht da. Wir werden unruhig, gehen durch die Wohnung, aus dem dritten Zimmer, in dem niemand schläft, hören wir leise klassische Klavoiermusik. Wer oder was hat sich dort eingerichtet. Wir klopfen an, wollen öffnen und bemerken, dass die Türe verschlossen ist. Wir rufen, rufen ein zweites Mal. Dann öffnet sich die Türe einen Spalt breit, wir sehen nur gerade, dass es ganz dunkel ist, dann schliesst sich die Türe wieder. Wir sind zutode erschrocken und erwachen auch zutode erschrocken, es geht eine Weile, bis wir uns gefasst haben.
Samstag, 12. Juni 2010
Wir sind im Busch, in unzugänglichen Urwäldern, mit einer kleinen Expedition haben wir uns verirrt, bauen jetzt in der Not eine Unterkunft, aus Ästen, die wir zusammenleimen. Wir haben einen ausgezeichneten Klebstoff entdeckt, wir gewinnen ihn aus dicken gelben Giftspinnen, die so gross sind wie eine Hand.
Donnerstag, 10. Juni 2010
Wir sind an einem Kongress über Völkerrecht, haben aber keine Ahnung von den Themen, die zur Diskussion stehen und kennen auch keinen Menschen. Wir finden uns im Hotel nicht zurecht und kommen viel zu spät in das Sitzungszimmer, in welchem nur wenige Teilnehmer an einem langen Tisch sitzen. Wir holen uns einen der Stühle, die an der Wand stehen, und setzen uns weit weg vom Vorsitzenden an eine freie Stelle.
Samstag, 5. Juni 2010
Und wir sind auf dem Römer Flughafen Fiumicino und möchten uns einchecken, für den Rückflug. Ein Angestellter bei der Abfertigung studiert lange unser Billett, das auf eine kleine Billigflug-Gesellschaft lautet. Er erklärt, dass dieser Flug um zwei Tage verschoben worden sei, wir sind bestürzt und stottern in schlechtem Italienisch, dass wir unbedingt heute nach Hause fliegen müssten, ob es keinen anderen Flug geben würde. Da spricht der Angestellte plötzlich ohne jeden Uebergang Schweizer Dialekt und sagt, dass in zwanzig Minuten ein Swissair-Flugzeug abfliege, und dass wir dieses Flugzeug nehmen könnten, das sei ohne weiteres möglich, er gebe uns zu diesem Zweck ein Jesuitenbillett. Er kramt in einer Schublade und zieht eine Reihe von schwarzen Gutscheinen hervor. Für die Jesuiten, so sagt er, müssten immer eine Reihe von Billetts bereitgehalten werden, die, wenn sie nicht in Anspruch genommen würden, in Ausnahmefällen an andere Personen abgegeben werden könnten. Ein solcher schwarzer Flug würde uns in diesem besonderen Falle nichts kosten, wir müssten jetzt allerdings sofort zum Flugzeug. Und wir eilen durch die marmornen Gänge und erreichen mit den letzten Passagieren die startbereite Maschine. Aber als wir schon in der Luft sind, bemerken wir, dass wir zwar beide Koffer bei uns haben, aber unsere wunderbare alte Mappe irgendwo haben stehen lassen. Und wir machen uns einige Sorgen, weil wir nicht sicher sind, ob unsere Adresse in der Mappe zu finden ist, und auch annehmen müssen, dass sich irgendwelche persönlichen Sachen darin befinden, Kritzeleien, Notizen, Aufzeichnungen, Entwürfe, gewiss wie immer nichts Unersetzliches, aber vielleicht, denken wir, irgendwelche Sätze, die auf diejenigen, welche die Mappe untersuchen würden, doch sehr befremdlich wirken könnten. Aber wie dem auch immer sein mochte, wir sind jedenfalls in der Luft, mit einem Jesuitenbillett, und überaus zufrieden, so problemlos nach Hause zu kommen.
Samstag, 29. Mai 2010
Wir können fliegen. Die Flugfähigkeit erstaunt uns selber, und wir vertrauen ihr nicht ganz. Wir überfliegen ein weites Alpengebiet, wagen uns weit hinauf, in die Hochalpen und schliesslich auf einen der höchsten Gipfel, auf welchem wir kaum Platz finden und in eine unergründliche Tiefe blicken. Ob wir aber jetzt noch immer fliegen können.
Montag, 24. Mai 2010
Grosse, unbekannte Stadt. Wir wollen mit dem öffentlichen Verkehr in einen Vorort fahren, besteigen einen langen Gelenk-Autobus, die grossen Türen sind offen, der Fahrer steht noch draussen und erklärt uns freundlich, welche Fahrkarte wir lösen müssen. Auf der Fahrt aber zeigt es sich, dass diese Linie nur grössere Haltestellen bedient und wir jetzt viel zu weit fahren. Wir fragen wieder den Fahrer, der den Irrtum bemerkt und uns zu helfen versucht. Aber uns kann ja gar nicht geholfen werden, denn wir fahren in der falschen Richtung aus der Stadt, der von uns gesuchte Vorort befindet sich auf der anderen Seite, und es ist ein sehr weiter Weg dorthin. Der Fahrer lässt uns aussteigen, Passanten kümmern sich um uns, zeigen uns Stadtpläne. Am besten sei es, sagen sie, wenn wir die A20 nehmen würden. Die A20 ist aber eine Autobahn.
Freitag, 21. Mai 2010
Sonntag, 16. Mai 2010
Wir sind im Hochgebirge unterwegs, als Tourist, auf den Ski, in einem verwirrend grossen Skigebiet, mit vielen Bahnen, die unregelmässig fahren, und auf tief verschneiten Pisten und Wegen, die schlecht unterhalten werden. Da löst sich, weit oben, eine kleine Lawine, ein Gletscherabbruch, in den höchsten Höhen zieht sich ein feiner weisser Faden dahin. Man sagt uns, dass es gefährlich werde, wir sollten sofort fliehen, aus der Talsenke hinaus auf die Höhen. Wir machen das auch, und wir sehen, dass die Lawine näher kommt, sie hat weitere Stufen überwunden, fällt nun in einer ungeheuren Masse in die Tiefe, noch immer weit über uns. Wir beeilen uns, kommen zu einer Felswand, die aus kleinen, schräg geschichteten Platten besteht und sich leicht erklettern lässt. Wir sind noch nicht sehr weit, als uns die Lawine erreicht, jetzt ein gewaltiger Strom aus Eis und Felsen, der sich in der ganzen Breite des Tales an uns vorbeiwälzt.
Wir gehören zum Schiedsrichtertrio, das den Final der Fussballweltmeisterschaft leiten soll und befinden uns auf der Fahrt zum Stadion. Seltsam ist das gegangen, wir wissen gar nicht wie. Jemand hat uns vor ein paar Wochen ein Horoskop gestellt, sagen wir, und dieses geht jetzt in Erfüllung. Man hat uns gesagt, wir würden mit vielen berühmten Menschen in Kontakt kommen, das wird jetzt gewiss geschehen, wir werden vor dem Spiel die Hände der elf Engländer schütteln, das sind alles ganz berühmte Leute. Im übrigen, sagen wir zu den Kollegen, müssen wir aufpassen, es werden viele Kameras auf uns gerichtet sein und uns aufnehmen, auch wenn wir es nicht gewahr werden, also passt bitte auf, Milliarden Menschen werden uns sehen, also bitte nicht in der Nase grübeln. Wir sind im übrigen auch etwas komisch gekleidet, wir tragen einen Anzug, wie es sich gehört, aber über dem Hemd noch einen ziemlich schäbigen, billigen hellbraunen Pullover, der passt natürlich gar nicht. Die gediegenen Engländer, die uns im Fernsehen sehen werden, werden entsetzt sein, wenn sie diesen Pullover sehen. Wir werden ihn deshalb natürlich noch ausziehen, aber sehr elegant sehen wir auch dann nicht aus, wir tragen ein hellgrünes Hemd und eine dunkelrote Kravatte.
Mittwoch, 12. Mai 2010
Wir müssen auf einem grossen leeren Parkplatz übernachten, auf der blossen Erde, als Unterlagen und Decken stehen Bärenfelle zur Verfügung, wie in der Urzeit. Es ist kühl. Die Decken schützen uns, sind aber zu klein, so dass immer wieder ein Bein, eine Schulter, eine Hüfte unbedeckt ist und die Gefahr besteht, dass wir uns erkälten.
Montag, 10. Mai 2010
Wir wohnen in einem alten, komplizierten Gebäude, mit hohen Burgmauern und einem Turm. Der Zugang zu unserer Wohnung ist sehr schwierig, er führt über eine etwa zehn Meter hohe Mauer, in der es nur einige weit voneinander entfernte Griffe und Halteseile gibt. Hinauf kommt man im allgemeinen noch ohne besondere Probleme, der Abstieg aber ist ausgesprochen schwierig und gefährlich. Es ist unmöglich, hier Gäste zu empfangen, denn sie könnten niemals in der Nacht den Weg hinab finden. Wir stehen mit dem Hausbesitzer auf einem Dachvorsprung und fragen ihn, ob er diesen Zugang nicht verbessern wolle. Nein, sagt er, es beklage sich ja niemand. Unten im Hof findet ein Fest statt, allerlei seltsames Volk trifft sich dort, das zum Teil in anderen Teilen dieses weitläufigen Komplexes wohnt und nicht gezwungen ist, Kletterpartien zu seinen Wohnungen zu unternehmen. Hier oben aber lebt man doch eigentlich recht gefährlich, besonders auch die Kinder. Jetzt sehen wir drei Kinder, die sich auf einem der Dächer bewegen. Nur eine kleine kniehohe Mauer trennt sie vor dem Abgrund, sie klettern über diese Schranke und springen tatsächlich in die Tiefe, zehn oder fünfzehn Meter hinunter in den Schlosshof. Das scheint ein Spiel zu sein, denn die Kinder verletzen sich nicht, sondern segeln wegen ihres geringen Gewichts ganz leicht und spielerisch hinunter und verletzen sich nicht, ein Erwachsener würde aber bestimmt den Tod finden, wenn er hier ausgleiten und abstürzen würde.
Freitag, 7. Mai 2010
Dann sind wir in Irland, in einer weiten grünen Landschaft. Es werden Getränke abgegeben, sie werden aus einem grossen Karton, aus dem man nicht trinken kann, in kleinere Kartons abgefüllt, aus denen man aber auch nicht trinken kann. Es muss nochmals umgefüllt werden, in noch kleinere Becher, aus denen man nun aber immer noch nicht trinken kann. Es sind Becher, die oben quadratisch sind und auf jeder Seite des Quadrates noch eine dreieckige, spitzwinklige Lasche haben, die aufrecht steht. An den Ecken des Bechers gibt es somit nur einen kleinen Spalt, durch welchen man allenfalls das Getränk ausgiessen kann, nicht aber ordentlich trinken.
Sonntag, 2. Mai 2010
Dann verlieren wir in einer Sportanlage in den grossen Umkleidekabinen und Toiletten unseren Sportsack mit allen Ausweisen, mit Portemonnaie und Kreditkarte. Wir befinden uns in einer unbekannten Stadt und suchen den Sack verzweifelt. Auf einem Platz steht ein Mann, er hat den Kopf im Kragen seines Rollkragenpullovers versteckt, wie ein Verbrecher oder vermummter Demonstrant. Wir ziehen ihm den Kragen hinunter und rufen: Der ist es! Er erschrickt und führt uns sofort zu einer mächtigen langen Mauer, dort finden wir tatsächlich unseren Sack, er zeigt ihn uns bereitwillig und erklärt uns auch, dass der Sack wegen soziologischen Untersuchungen gestohlen worden sei, man wolle wissen, was die Touristen so alles mit sich herumtragen. Wir öffnen den Sack und besehen uns mit ihm die paar wenigen Gegenstände, die wir mit uns führen und die in diesem Zusammenhang sehr lächerlich wirken.
Montag, 26. April 2010
Wir haben mittels anonymem E-Mail ein furchtbares Verbrechen verübt, eine Destabilisierung der Regierung droht, eine Katastrophe, eine Art Revolution. Und wir merken nun, zu spät, dass wir sehr unvorsichtig gehandelt haben, und dass es den Polizeiorganen doch wohl leicht fallen wird, uns auf die Spur zu kommen. Wir leben nämlich in einer nationalsozialistischen, totalitären Gesellschaft, die über riesige Sicherheitspolizeien verfügt, die ohne weiteres in der Lage sind, die E-Mails eines Tages zu kontrollieren. Es würde ja genügen, in einer ersten Phase nur die auffälligen E-Mail-Adressen zu kontrollieren, denn unsere Mail-Adresse ist sonderbar und fällt sofort auf. Dann ist es nur noch nötig, den weiteren (sehr eingeschränkten) E-Mail-Verkehr dieser Person zu untersuchen, um auf unsere Identität und Adresse zu stossen. Wir werden gewiss bald verhaftet werden und schreckliche Verhöre und Strafen zu gewärtigen haben. Wir denken an Selbstmord, etnschliessen uns dann aber, unsere Familie zu verlassen und aufs Geratewohl unterzutauchen.
Samstag, 24. April 2010
Wir (wir sind vier Frauen) verlassen unsere Wohnung, müssen aber nochmals zurück, denn wir haben etwas vergessen. Das ist gewiss kein Unglück, denn die Wohnungtür steht offen, jemand ist in unserer Wohnung. Es muss ein Einbrecher sein, oder mehr als ein Einbrecher, ein böser Feind, ein Übeltäter, ein Monstrum. Wir sind sehr beunruhigt, unsere Herzen klopfen, wir sollten eigentlich sofort die Polizei rufen, das Überfallkommando, eine stark bewaffnete Antiterror-Einheit. Oder sollten uns selber bewaffnen, wir haben nämlich einige Pistolen irgendwo in einem Kasten, sie sind aber nicht geladen, und es ist nicht klar, ob es auch Munition dabei hat. Wir entschliessen uns, die Angelegenheit selber und unbewaffnet zu erledigen, gehen in die Wohnung hinein und rufen: Raus! Raus! Der Unhold ist nicht zu sehen, es scheint, dass er im Schlafzimmer ist und die Türe hinter sich geschlossen hat. Es wird nun doch zu unheimlich, wir gehen hinaus, rennen weg, werden nun aber verfolgt, der Gewaltige verfolgt uns. Im Schnee, auf Skis, über Skipisten. Er bremst neben uns, kommt zu Fall, das gibt uns Gelegenheit zu einem Gegenschlag. Wir treffen ihn mit einem schweren Stein am Kopf, er bleibt liegen, wie tot, schrumpft zu einem kleinen Fleck zusammen. Wir haben Angst, dass er doch wieder auferstehen und zu Kräften kommen könnte, bedecken ihn daher mit einem Tuch und setzen uns auf ihn. Das hilft aber nichts, er erholt sich, bläst sich auf und ist wieder der alte Riese. Wir fliehen wieder, rasen auf den Skis die Hänge hinunter, kommen zur Talabfahrt, auf einen engen vereisten Waldweg, er verfolgt uns, wird wegen seinem Gewicht schneller und schneller, schiesst an uns vorbei, dreht sich um die eigene Achse, rast rückwärts den Eiskanal hinunter, nun eine grosse hagere Gestalt, und fliegt schliesslich, in einer Kurve, über den Weg hinaus in die Tiefe, hinunter in ein Tobel, über hohe Felsen hinab in einen vereisten Bergbach. Jetzt haben wir vermutlich Ruhe, denken wir (wir sind noch immer vier Frauen). Wir fahren zu Tal, unbehelligt, sind aber nun nicht sicher, ob der Teufel nochmals auftauchen wird.
Freitag, 16. April 2010
Wir sind in den Ferien, im Süden, allein, in einer etwas schäbigen Ferienanlage. Am Tag wird nichts geboten, wir sind frei, können machen, was wir wollen. Am Abend stehen zwei Verpflegungsmöglichkeiten zur Verfügung, ein Restaurant, wo es langweilig ist, muffig, mit unfreundlicher, langsamer Bedienung, und eine Kantine mit Selbstbedienung, wo wir wenigstens rasch essen können. Nach einer schönen Wanderung durch kleine Dörfer kommen wir gegen Abend zurück, überlegen, wo wir essen wollen, entscheiden uns für die Kantine, sehen aber, dass sich einige Leute auf einem kleinen erhöhten Parkplatz versammeln, um den Sonnenuntergang zu sehen. Diesen wollen wir uns auch ansehen. Die Sonne steht gross und rot am Horizont, bewegt sich aber auch, fährt nicht nur am Himmel dahin, sondern auch vor einem Gebirgskamm, wo sie seltsamerweise auch erscheinen kann. Sie schwebt vor dem Gebirge, es ist, wie wenn von einem Scheinwerfer ein Lichtkreis auf das Gebirge geworfen würde. Wir gehen über den Parkplatz, allein, ein alter Knabe, der aber immerhin so attraktiv ist, dass er einer Gruppe von älteren Frauen auffällt, die lustige Sprüche machen. Das wäre doch etwas für dich, sagen sie zueinander. Wir kommen zum Ende des Parkplatzes, wo es steil hinunter zum Meer geht und sich auch eine ganz schmale, tiefe Schlucht öffnet, eine Touristenattraktion, die sich nun auch die Frauengruppe ansieht. Es ist nicht ungefährlich, denn es hat kein Geländer, und wenn man in die Schlucht hineinsehen will, muss man im freien abschüssigen Gelände herumklettern. Eine der Frauen legt sich hin, unvorsichtigerweise, sie will hinuntersehen und würde, wenn wir sie nicht im letzten Moment an den Füssen festhielten, in die Tiefe rutschen. Dieses Missgeschick hindert eine andere Dame nicht daran, den Erdspalt zu erkunden. Sie verliert das Gleichgewicht, fällt hinein und wird vom strömenden Wasser in ein Loch gerissen, das gerade so gross ist, um einen Körper zu verschlingen. Schon sind nur noch ihre Hände zu sehen, sie suchen verzweifelt nach Halt. Eine Frau will helfen, steigt hinunter, von uns gehalten. Es gelingt ihr wirklich, die Hände zu packen, die unvorsichtige Frau kann tatsächlich wieder aus ihrem Felsloch gezogen und gerettet werden. Das ist nun wirklich eine echte Lebensrettung, sagen wir alle, stehen herum, sind einigermassen erleichtert, aber auch nicht erfreut, es gibt keinen Dank, wir unternehmen weiter nichts gemeinsam, sondern gehen weiter unsere einsamen Wege.
Samstag, 10. April 2010
Dienstag, 6. April 2010
Hinterzimmer eines einfachen Gasthauses, Imbiss nach der Beerdigung einer alten, entfernt mit uns verwandten Tante. Neben mir sitzt ein schweigsamer, unauffälliger Mann, Onkel Robert, sagt man. Wie wir mit ihm verwandt sind, wissen wir nicht. Sicher ist, dass er zu jenen Verwandten gehört, mit denen man so wenig wie möglich zu tun haben will, zu den langweiligen, dummen Verwandten, die in einem Heim leben und der Allgemeinheit zur Last fallen. Der Onkel Robert, sagt man mir, ist einer, der nie viel redet. Er redet wirklich nicht, sondern isst mit viel Appetit vom einfachen Teller mit Aufschnitt und Salaten, der uns serviert wird. Die Mahlzeit ist schon fast beendet, als ich ihn etwas genauer ansehe. Sein verkniffenes, faltenreiches Gesicht kommt mir plötzlich sehr bekannt vor. Er sieht, dass wir ihn anstarren, und lächelt sonderbar und amüsiert. Robert, sagt er langsam nickend, ja, Robert Zimmermann. Und Bob Dylan bin ich nur, wenn ich Bob Dylan sein muss. Dann fällt er zurück in seine Heiminsassen-Existenz und redet weiter kein Wort mehr. Als sich alle verabschieden, wendet er sich nochmals zu mir und sagt mit halbwegs freundlichem Lächeln: I'll let you be in my dreams if I can be in yours.
Freitag, 2. April 2010
Wildnis, Campingplatz. Wir übernachten mit der Familie im kleinen halbrunden grünen Zelt, liegen eng beieinander, haben kaum Platz. Wir beim Eingang, hören allerlei Geräusche vor dem Zelt, Tiere bewegen sich, Kaninchen oder weiss Gott was. Wir öffnen den Reissverschluss, wollen nachsehen. Drei oder vier kleine graue kräftige Tierchen bewegen sich schnell und auf kurzen Beinen unter dem Vordach, eines dringt sofort neugierig ins Zelt ein. Es sind Wildschweinchen, wie wir jetzt sehen. Ein überraschender und irgendwie nicht ganz ungefährlicher Besuch, denn in einiger Entfernung sehen wir die Mama, ein grosses schweres Tier, das die Bewegungen der Kinderschar aufmerksam überwacht.
Montag, 22. März 2010
In einem tiefen engen Gebirgstal, einer Schlucht, soll der Felsboden gelockert und aufgesprengt werden. Wir tun dies, indem wir schwere Kisten mit Dynamit vom Rand der Schlucht in die Tiefe werfen. Wenn die Kisten mit genügender Geschwindigkeit auf den Boden prallen, explodieren sie. Bei der ersten Kiste gelingt das, es erfolgt ein gewaltiger Knall und ein schweres Beben. Die zweite Kiste aber schlägt im Fallen auf und bleibt auf halber Höhe auf einem Felsband liegen, unerreichbar. Auch eine dritte Kiste erreicht den Grund nicht. Wir müssen die Sprengungen abbrechen, was auch wieder seine guten Seiten hat, denn die Landschaft am Ausgang der Schlucht, die durch die Sprengungen zerstört worden wäre, ist von grosser Schönheit und mit Preisen ausgezeichnet worden. Vor dem Eingang zur Schlucht befindet sich ein weites Feld voller violetter Blumen, und hinter diesem Feld ein See, der begrenzt wird durch breite Schilfgürtel. Diese einmalige Landschaft mit ihren wunderbaren und berühmten Farben wäre von uns zerstört worden. Das weitere Vorgehen ist nun nicht klar.
Freitag, 19. März 2010
Wir sind an einer Versammlung, ein Wichtigtuer sitzt neben uns, ein etwas schmuddeliger, langhaariger Kerl, der aber offensichtlich mächtig und einflussreich ist. Er hat die dumme und lästige Angewohnheit, dass er, wenn er uns etwas fragt, was häufig vorkommt, uns nachher sein Ohr zuwendet, das heisst sein Ohr direkt an unseren Mund legt, wie wenn das, was wir antworten, ein phantastisches Geheimnis wäre. Er stellt uns dabei auch Fragen, auf die er gar keine Antwort haben will, er geniesst es, den Eindruck zu erwecken, dass wir ihm wichtige Dinge ins Ohr sagen würden, wir haben daher mehrmals dieses Ohr vor den Lippen, ohne dass wir etwas zu sagen wüssten, wir sagen dann einfach irgendetwas, und das ist ihm dann ganz recht so, er erreicht den Effekt, den er erreichen will.
Donnerstag, 11. März 2010
Wir arbeiten noch spät in der Nacht im Bundeshaus und besuchen, bevor wir gehen, kurz die grossen Elephanten, die dort gehalten werden. Es sind dies Staatselephanten, die mit ihrem Gewicht, ihrer Ruhe, ihrer Langsamkeit die Staatsgeschäfte im Gleichgewicht halten und die überforderten Beamten beruhigen sollten. Wir betrachten still die mächtigen Tiere, die wie dunkle Felsen regungslos am Boden liegen und sich nicht rühren. Dann, beim Ausgang, treffen wir die Bundeskanzlerin, auch sie hat noch gearbeitet und geht jetzt nach Hause. Wir sprechen kurz über die Elephanten. Wie schön es doch ist, dass es diese Tiere hier gibt, sagen wir, man kann gut bei ihnen und mit ihnen meditieren.
Mittwoch, 3. März 2010
Auf dem Weg zur Arbeit begegnen wir einem Quartett, das Brahms spielt, sehr schöne Musik, wir bleiben stehen, hören zu, sehen zu, die Musiker gefallen uns, vor allem der Cellist im Vordergrund, ein fester, bärtiger Mann und der Pianist, der in langen schönen Partien sehr zur Geltung kommt, den wir aber nur hören und nicht sehen. Ein Satz wird beendet, ein neuer Satz beginnt. Der Cellist klopft vorher mit seinem Bogen mit raschen Schlägen an sein Instrument und erklärt lächelnd, dass er, als Teilzeitmusiker, sich und den anderen eben zeigen müsse, dass es jetzt mit Achtelsnoten weitergehe, sie würden das manchmal übersehen und viel zu langsam weiterfahren.
Samstag, 20. Februar 2010
Als wir zur Arbeit gehen, liegt auf der Strasse gleich vor unserem Haus eine mit viel Butter bestrichene Brotscheibe. Wir glauben, dass es sich hier um eine neue Form von Protestaktion handelt, irgendetwas lief irgendwo schief auf dieser Welt, und irgendwelche Leute kamen auf die Idee, mit auf die Strassen gelegten Brotscheiben gegen dieses Unrecht zu protestieren. Nun liegt also auch hier eine Brotscheibe, denken wir, und stören uns an der vielen Butter, die auf die Scheibe gestrichen worden ist. Es liegt aber nicht nur eine Scheibe, wie wir nun sehen, es liegen viele Scheiben herum, alle paar Meter liegt eine, und auf jeder hat es kleine Berge von Butter. Das ist nun doch völlig übertrieben, denken wir, das ist eine ganz hilflose dumme Form des Protestes, die niemandem etwas nützt, es sei denn den Bewohnern dieses Quartieres, die sich damit als gute Menschen erweisen können. Sie müssen aber schon ein gewaltiges Bedürfnis dazu verspüren und eine sehr fragile Psyche haben, dass sie so viele Butterbrote auf die Strassen legen.
Freitag, 19. Februar 2010
Wir sind Mitglied eines Motorrad-Clubs geworden, einer ziemlich militärisch organisierten Vereinigung von grossen, in Leder gekleideten Männern, die alle schwere Motorräder fahren und hervorragend trainiert sind. Sie sind alle am Start zu einer Ausfahrt und erwarten nun auch von uns, dass wir mitfahren. Wir haben aber keine Ahnung vom Motorradfahren, haben auch gar kein Motorrad, sondern nur ein kleines rotes Kindervelo, das wir noch gar nicht aus der Verpackung befreit haben, wir stellen uns mit diesem Velo vor die Gruppe und versuchen, uns zu entschuldigen und von der Fahrt zu dispensieren. Man brummt und knurrt und sieht weg, übersieht uns Schwächling und Feigling und rast los, einer dicht hinter dem anderen, wir verziehen uns, zurück in ein drittklassiges, kompliziertes Hotel mit vielen Räumen voller Gepäckstücke. Es ist Reisetag, viele Zimmer werden geräumt, auch unser Gepäck ist weg, wir müssen es suchen, finden es, sollten dann aber auf die Toilette, suchen diese Toilette, geraten aber in einen Parteitag der Sozialdemokraten hinein, ein bekannter Linker ist beim Eingang in ein Gespräch verwickelt, winkt uns kurz zu. Am Ende finden wir die Toilette, eine komplizierte Einrichtung, wir pissen, sind voller Sorge um das Gepäck, das jetzt wieder unbeaufsichtigt herumsteht und verloren gehen könnte.
Donnerstag, 18. Februar 2010
Dann sind wir in einem grossen Raum mit Pulten, teils Kirche, teils Schule, neben mir ist nur ein mir unbekannter junger Fremder da, ein scheuer, trauriger Mensch, der nun auf sein Mobiltelefon einen Anruf erhält. Er werde abgeholt, sagt er, man nehme ihn wieder nach Hause. Ob ich nicht sein Geld aufbewahren könnte? Er zieht aus der Tasche ein kleines zerknittertes Bündel Noten, es sind drei Hunderternoten sowie einige ältere Banknoten, die längst nicht mehr im Verkehr sind, dabei ist auch eine Adresse. Ich sehe, dass der junge Mann in Bernina wohnt. Bevor ich etwas sagen kann, steckt er mir das Paketchen zu. Durch die Fenster sehen wir, dass ein Kleinbus vorgefahren ist, aus dem Männer steigen, sein Vater ist es, und seine Brüder, sie betreten den Saal und scheinen zu ahnen, was sich abgespielt hat. Durchsucht ihn! sagt der Vater ganz ruhig, und die stämmigen Brüder kommen auf mich zu, die Noten werden nun sicher gefunden, sie befinden sich ja in meiner leeren Hosentasche, ich werde nicht helfen können, sondern werde sie hergeben müssen.
Mittwoch, 17. Februar 2010
Es werden unserem Dienst ein paar Flaschen Champagner geschenkt, einige befinden sich in den üblichen glänzenden Geschenksäcken, zwei aber in sonderbaren alten Reisetaschen, halb Koffer, halb Rucksack. Wir nehmen die Flaschen aus den Futteralen, sie liegen dort zwischen altem Zeug, zwischen Socken und Turnschuhen, ein Regenschutz ist auch dabei. Man muss das alles wegwerfen, es ist sehr unappetitlich. Wir stellen aber fest, dass es uralte Flaschen sind, 1953 oder 1958, gewiss sehr teuer, sehr kostbar. Mein Stellvertreter und ich beschliessen, diese beiden Flaschen für uns zu reservieren, jeder soll eine nehmen. Ich hätte gerne jene Tasche, in der sich auch ein altes Portemonnaie befindet, ein dickes Portemonnaie, mit vielen Münzen. Ich versuche die Sache so zu drehen, dass mir die Tasche mit dem Portemonnaie bleibt, was mir aber nicht so recht gelingen will, da weckt mich der Wecker.
Samstag, 13. Februar 2010
Wir fahren nach Basel, zur Konsultation eines Augenarztes. Dieser ist sehr nervös, erscheint nur kurz, heisst uns warten, wir warten von zwei Uhr nachts bis vier Uhr, da erscheint endlich der Arzt wieder, es geht um eine augenärztliche Untersuchung, aber eigentlich hätten wir auch Beschwerden zwischen den Beinen in der Leistengegend. Dort sind vier grosse Nieten aus Metall sichtbar, die irgendwelche Organe zusammenhalten sollen. Wir wissen nicht genau, warum uns diese Halterung eingebaut worden ist. Der Augenarzt besieht sich diese Nieten, weiss aber nichts dazu zu sagen. Eine Tochter begleitet uns, die jüngere, die Gattin hätte ebenfalls nach Basel kommen sollen, es scheint aber ein Missverständnis gegeben zu haben, vielleicht weiss sie nicht, wo wir sind. Wir sagen das dem Arzt, dass wir eigentlich noch auf die Gattin warten. Dieser schaut uns sehr besorgt an, eilt zu seinem PC, liest dort die neuesten Nachrichten: Ja, es ist so, schrecklich, zwei Frauen sind soeben in der Umgebung des Spitals ermordet worden. Wir rufen nun die Stadtpolizei an, haben aber eine ganz schlechte Verbindung, verstehen aber doch, dass es die Gattin ist, die ermordet worden ist, man hat ihre Ausweise gefunden. Wir sagen der Polizei, um vier Uhr am Morgen, dass wir jetzt zurück nach N. fahren und zu den normalen Bürozeiten wieder anrufen würden. Wir umarmen unsere Tochter, weinen etwas und sind sehr traurig.
Donnerstag, 11. Februar 2010
Wir sitzen in einem Hochhaus auf einem Balkon, sehr hoch, vielleicht im zwölften Stockwerk, es ist nicht ganz klar, ob wir da wohnen oder nur Gast sind. Nebenan gibt es ein noch etwas höheres Haus, ein Spital mit Dachterasse, dort sehen wir einen Chinesen, der die kleine Brüstung übersteigt und sich in den Tod stürzen will. Wir winken, rufen, andere Chinesen eilen herbei, kleine kräftige Menschlein, alle gleich gekleidet, sie packen den Lebensmüden, ziehen ihn weg, erregen sich aber dabei, streiten plötzlich heftig über Dinge, die uns unklar bleiben. Jetzt sehen wir, dass sie plötzlich einen anderen Menschen über das Geländer stürzen wollen, es ist einer aus ihrer Gruppe, sie packen ihn, er zappelt verzweifelt und wehrt sich nach Kräften, kann aber nicht verhindern, dass er über die Brüstung in die Tiefe fliegt.
Donnerstag, 28. Januar 2010
Wir sind unterwegs, als Reisender, kommen an Scheiterhaufen vorbei, auf denen Menschen lebendig verbrannt werden. Man packt sie zur Verbrennung in schwarze Folien ein und bindet sie auf einer Bahre fest. An einem Ort sind zwei Menschen schon weitgehend verbrannt, wir sehen nur noch Haut- und Knochenfetzen auf dem Feuer schmoren, bei einem anderen Holzstoss ist das Feuer erst gelegt worden, wir sehen, wie sich die Folien aufblähen, erwarten das Geschrei der Eingepackten, es bleibt aber alles still.
Samstag, 23. Januar 2010
Schlachtung eines riesigen Stieres, das Tier ist enthäutet, in zwei Hälften geteilt, lebt aber noch, es liegt auf einer schrägen Fläche, ein schwerer Schenkel löst sich, rollt uns vor die Füsse, auf die nasse Erde, wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht beschmutzen, der Schenkel jedenfalls bleibt liegen und wird verdreckt. Das Tier aber bewegt sich, kriecht langsam die schräge Fläche hinauf, begleitet von einem Aufseher, wir wissen nicht, was für Aufgaben dieser hat, er ist nicht Metzger, eher eine Art Veterinär oder Inspektor. Er beobachtet, wie sich das schwere Tier selber noch hinaufschleppt, das ist gut so, denn es wäre unmöglich für einen einzelnen Mann, es zu bewegen, als es oben angelangt ist, wird es nun aber ganz getötet, mit einer Spritze. Wir beobachten, wie das übergrosse farbige helle Auge langsam erlischt, wie ein stufenlos regulierbares elektrisches Licht. Jetzt ist er ganz weg, sagt der Herr, wir sind einigermassen beruhigt, dass dieses Spektakel vorbei ist, aber wo sind wir denn, es ist eine Mischung zwischen vatikanischen Gärten und Kasernenhof, wir sehen ein grosses Tor, das aus Trümmern römischer Bauwerke errichtet worden ist.
Donnerstag, 14. Januar 2010
Endloser Riesentraum, wir sind in einer Zauberwelt, überall gibt es Gefahren, lauern kleine und grosse Ungeheuer, man muss wachsam sein, aufpassen, sich immer wieder retten. Wir sind in der Nähe des Hauptsitzes einer Zauberin, die Fallen stellt und alles überwachen und kontrollieren will, aber offenbar doch nicht ganz überblicken kann. Eine Alte trägt einen schweren grossen Topf mit einer heissen Flüssigkeit und will damit Vorbeikommende begiessen. Wir kommen in Kontakt mit einer kleinen, zugänglichen Hexe, umarmen sie, wollen mit ihr verschwinden, es kommt aber nicht dazu, alles ist in Bewegung, wie in einem Computerspiel. Es ist eine bäurische, plumpe Breughel-Welt voller Winkel, Hütten, Tüchern, Gesichtern, Gestalten, Teufeln. Einmal sind wir sogar an einem Konzert, in einem kleinen Saal sitzt alles dicht gedrängt, als Warnungen kommen, es gebe vor dem Lokal Unruhen, es würden sich dort Gewalttäter zusammenrotten, die die Konzertbesucher verprügeln wollten. Wir wollen daher hinaus, durch einen anderen Ausgang. Das geht aber nicht, denn andere, die dies schon versucht haben, strömen zurück, alle nackt, willenlos ineinander verknotet. Sie sind allesamt von den übermachtigen Übeltätern vergewaltigt worden. Auch wir müssen auf eine Vergewaltigung gefasst sein, kommen aber am Ende ungeschoren davon, weil sich die Szene rasch wieder verändert, es geht weiter in diesem Stil, von Schauplatz zu Schauplatz, der Traum hört nie auf.
Freitag, 8. Januar 2010
Wir sind eine kleine Theatertruppe, zusammengesetzt aus Bekannten aus der Jugendzeit, und befinden uns auf dem Weg nach Schweden zu einem Gastspiel. Ein bekannter Theatermensch mit gutem Namen begleitet uns, das Stück, das zur Aufführung kommen soll, ist uns noch gar nicht bekannt, aber das mache nichts, sagt der Theatermensch, wir würden schon noch rechtzeitig eingeführt, und im übrigen gebe es fast keinen Text, die Vorbereitung sei unwichtig, wir wüssten ja alle, worauf es ankäme. Wir sehen uns plötzlich auf der Bühne, vor vielen Zuschauern, und die ersten Minuten gelingen uns ganz leidlich, es geht nur darum, langsam auf der Bühne zu erscheinen. Dann aber müsste doch gesprochen werden, ich stehe mit einer Dame bereit zu einem Dialog, habe aber keine Ahnung, was gesprochen werden sollte, einen Souffleur gibt es nicht, aber unser Leiter deutet uns an, dass der Text auf kleinen Zettelchen notiert sei, die an einem auf der Bühne aufgestellten Baumstamm hängen. Meiner Partnerin, die als Burgfräulein gekleidet ist, gelingt es, diesen Text zu finden und den ersten Satz zu formulieren, eine Frage: „Was bringst du mir?“ Jetzt muss ich, der Herr Ritter, zum Baum, wo mir der Zettel unlösbare Probleme aufgibt. Drei Schwerter, heisst es dort, und dann sind drei Farben zu sehen, blau, rot und eine weitere Farbe, die irgendwie verwischt ist und die ich nur als himmelblau interpretieren kann. Der Regisseur treibt mich an, ich trete zur Dame und sage: „Drei Schwerter, ein blaues, ein rotes und ein himmelblaues.“ Das Publikum wird unruhig, unsere Theatergrösse verwirft hinter der Bühne die Hände, es ist nicht zu fassen. Nach einigen weiteren ähnlich dummen Szenen wird die Vorstellung abgebrochen, es kann so nicht weitergehen, nichts ist bereit, wir können nichts, rein gar nichts, und wir werden von jetzt sehr mürrischen und ungehaltenen Gastgebern in unsere Quartiere geführt, in ein leerstehendes Schulhaus. Am nächsten Morgen orientiert uns der Theatermann, dass wir entlassen seien, alle, und sofort heimreisen müssten, das bedrückt uns aber in keiner Weise, wir sind sehr heiter und wiederholen auf dem Heimweg im Zug nochmals unter grossem Gelächter die missratenen Szenen, drei Schwerter, rufe ich, drei Schwerter, ich werde dafür ein paar gute Flaschen Wein im Speisewagen holen, dem Theatermenschen macht der Misserfolg auch gar nichts aus, ihn behelligen solche Sachen überhaupt nicht, wir denken am Ende, dass er den Misserfolg bewusst so provoziert hat.
Sonntag, 3. Januar 2010
Wir müssen in einen Wiederholungskurs einrücken und nähern uns der Kaserne. Im weiten Kasernenhof stehen Soldaten, einige werden instruiert, andere exerzieren, man grüsst mich überraschend mit der Hand an der Mütze, sobald man mich sieht, aber eigentlich kann es mich ja nicht überraschen, ich trage nämlich eine Paradeuniform wie sonst nur ein Oberbefehlshaber oder Kaiser. Ich gebe die Grüsse gnädig zurück, allerdings mit grosser Nachlässigkeit, mit der linken Hand, nicht mit der rechten. Am Eingang zum Kasernengebäude halten mich die Wachen auf und wollen mein Aufgebot sehen, dieses befindet sich aber irgendwo tief unten im Tornister. Man fragt mich nach dem Namen des Kadi, aber diesen Namen habe ich gerade vergessen, da erklärt man, jetzt wisse man, zu wem ich wolle, man führt mich durch Gänge und ein grosses Kasernentreppenhaus zu einer Türe, wo mich ein Herr von vielleicht fünfzig Jahren brummend empfängt, er wirkt wie ein Professor, ist locker gekleidet, in Zivil, und scheint keinen Wert auf irgendwelche militärischen Umgangsformen zu legen. Er zeigt sich belustigt über mein Erscheinen und fragt, ob ich eigentlich ordnungsgemäss einrücke. Ja, sage ich und versuche, selber etwas witzig zu sein, mit Gamelle und allem anderen. Man werde ja sehen, sagt er zu seinem Assistenten, ob man ihnen da eine Pumpe zugeteilt habe. Ich sage nichts weiter, bin aber zuversichtlich, dass ich den Herren dienen kann, ich bin ja wirklich nicht niemand, ich brauche das gar nicht zu sagen, sie werden es schon merken, dass ich kein Dummkopf bin. Ich sei hier übrigens beim Nachrichtendienst, sagt der Professor etwas abwesend und nachlässig, und ich finde Zeit, seinen beeindruckenden Aristokratenkopf zu studieren.
Samstag, 2. Januar 2010
Wir werden, als Dichter, aufgenommen in eine grössere Kommune, die sich unter anderem auch mit verlegerischen Aktivitäten befasst. Wir hoffen auf einen Durchbruch, müssen aber sehen, dass ein grosser Text bis auf wenige lächerliche Zeilen zusammengestrichen wird, die man nun in einer Anthologie als Gedicht publizieren will. Wir werden nicht richtig ernst genommen, was sich auch beim Essen zeigt, wo es sehr kommunenmässig zu und her geht, auf mehreren Tischen stehen vielerlei Teller, und von von überall her wurden Stühle zusammengetragen und um die Tische gestellt. Man sitzt eng zusammen, unter vielen Kindern, für uns hat es auch einen Teller, man zeigt uns unseren Platz, es fehlt allerdings ein Stuhl, man hat offenbar keinen mehr gefunden, sagt uns nun aber, wo allenfalls noch einer zu finden wäre und schickt uns, ihn zu holen. Wir finden ihn, er ist aber riesig und kann fast nicht durch die kleinen Türen gebracht werden, der Transport ist unbequem und zwingt viele, die bereits essen, wieder zum Aufstehen.
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