Dienstag, 6. Juli 2010

Und in einem anderen Traum bewegte ich mich in einer Stadt unter vielen Leuten, die an Mauern gedrängt auf den Strassen lagen oder in halboffenen, kaum gedeckten, ebenerdigen Kojen wohnten. Es gab in diesem Teil der Stadt keine Häuser, sondern nur Mauern und Plätze, es war nicht so ganz klar, wohin mein Weg führen sollte. Was klar war, war nur, dass dieser Weg durch Öffnungen führte, die in die Mauern gebrochen worden waren, manchmal auch durch Türen und durch Portale, die aus früheren besseren Zeiten übriggeblieben waren. Man erklärte mir, und dies war ein Freund¬schafts¬dienst, auf den nicht jeder Anspruch erheben konnte, dass ich aufpassen müsse, man wolle mich zusammenschlagen. Als ich eine blonde, kurzhaarige, nicht mehr ganz junge Frau antraf, die, wie ich wusste, der gleichen Organisation angehörte wie ich, bestätigte sie mir diese Drohungen, sie erklärte mir sehr bestimmt, dass es jetzt eben mit blossem Zynismus und verbaler Bosheit vorbei sei und neue Leute an der Spitze stehen würden, die sich nicht scheuen würden, Gewalt anzuwenden. Was diese Leute denn wollten, fragte ich. Leben, sagte sie, leben, diese Leute wollen doch nur leben, und ihr Gesicht verzog sich zu einem grossen, heftigen Grinsen, und sie eilte sehr geschäftig davon. Durch eines der Portale marschierte nun ein Trupp dieser neuen Ordnungshüter auf mich zu, es waren in schwarzes Leder gekleidete, mit Schlagstöcken und diversen anderen Waffen ausgerüstete Schlägertypen. Sie nahmen mich aber kaum wahr, sondern bogen vor mir ab. Ich sah, dass sie in ihrer Mitte einen der Ihren auf einem grossen Sessel mit sich trugen. Der Mann trug eine schwarze Uniform, war unförmig dick und bewegte sich nicht. Die Gruppe marschierte über den Platz und machte vor einem Mauerstück halt, das mit Bildern beklebt und mit vielen weissen Blumen geschmückt war. Man setzte den Sessel des Schlafenden oder vielleicht auch Toten ab und blieb längere Zeit regungslos und wie betend stehen. Ich wartete das Ende dieser Andacht nicht ab, sondern eilte weiter. Ob die Drohungen wohl ernst zu nehmen waren? Was hätte man mir zur Last legen können? Wenn man mich vor ein Gericht gestellt hätte, so schien es mir, hätte sich nichts als eine vollkommene Harmlosigkeit ergeben, nichts als eine vollkommene Unschuld. Aber Harmlosigkeit und Unschuld, das war mir klar, hätten die wilden Gewalten, die hier am Werk waren, natürlich nicht besänftigen können, im Gegenteil, sie würden sie erst recht reizen. Das Beste war demnach, nicht aufzufallen. Das Beste war, hier wie alle anderen weiter seinen Weg zu gehen, nicht zu rasch, nicht zu langsam. Und jeden Tag den gleichen Weg.

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