Wir
besuchen den Kunstmaler Dickerhof, von dessen Werken wir einst, vor rund
fünfzig Jahren, beeindruckt waren. Heute malt er nicht mehr, sondern führt ein
Geschäft mit Antiquitäten. Er zeigt uns einen berühmten Stuhl, der 1500 Franken
kostet. Wir sagen, wir hätten auch so einen zuhause. Wirklich, sagt er, der
Stuhl sei sehr selten. Ob wir ihn vielleicht verkaufen würden? Ja, sagen wir,
wir wären froh, wenn er wegkäme. Er solle doch bei uns gelegentlich
vorbeikommen und ihn ansehen. Obwohl wir in einer anderen Stadt wohnen, kommt
er schon am nächsten Tag in Begleitung von zwei Angestellten vorbei. Er besieht
sich den Stuhl und ist sehr daran interessiert. Wieviel wir denn verlangen
würden? 4 Franken 20, sagt meine Frau. Man lächelt. Ich protestiere und sage,
sie solle doch viel höher gehen. Dann 200 Franken! Dickerhof ist sofort
einverstanden und macht wohl jetzt ein gutes Geschäft. Er wirkt dynamisch und
jugendlich und ist noch keineswegs ein alter Herr, obwohl er vermutlich gleich
alt ist wie ich. Was machst du jetzt mit den 200 Franken? Frage ich meine Frau.
Einen neuen Stuhl kaufen, sagt sie, was grosse Heiterkeit auslöst. Als sich
Dickerhof mit seinen Gefährten und dem Stuhl verabschiedet, frage ich ihn noch
nach seinen Bildern. Ich hätte vor fünfzig Jahren einmal in einer Galerie
Bilder von ihm gesehen, mit Fussballszenen. Ja, sagt er, das sei möglich,
scheint sich aber mehr daran zu erinnern und will sich nicht dazu äussern.
Donnerstag, 29. April 2021
Eine
wichtige Sitzung. Regierungsebene. Es geht um das weitere Vorgehen in einer
zentralen Frage, die das ganze Volk beschäftigt. Es gibt grundsätzlich zwei
Wege. Den einen Standpunkt vertritt P., ein bekannter christlicher Politiker,
der eine idealistische, kompromisslos auf ethischen Grundsätzen beruhende
Lösung vorschlägt. Auf der anderen Seite beantragt A., ein hoher Beamter, eine
realpolitische Lösung, von der er sagt, sie klinge zynisch, sei aber das
einzige, das Erfolg verspreche. Ich überlege meine Stellungnahme, die man
gewiss sehr beachten wird. Ich werde sagen, dass ich gefühlsmässig
selbstverständlich P. zustimme. Aus höherer Sicht müsste man so vorgehen. Die
Realität sei aber leider eine andere, und wir müssten Rücksicht nehmen auf das
Volk, das nicht überfordert werden sollte. So komme eben nur die Lösung infrage,
die A. vorgeschlagen habe, so schlimm das auch sei.
Sonntag, 25. April 2021
Ich
habe mich, als älterer Herr, weil dies gerade grosse Mode ist, für ein
Schwingfest angemeldet, und zwar in der Kategorie D, für die sich Frauen und
Männer meiner Altersgruppe anmelden können. Das Fest findet oberhalb Brienz
statt. Noch in Bern treffe ich auf einen richtigen Schwinger, einen zwei Meter
grossen Riesen, der sagt, dass ich in der ersten Runde mit einem Schwinger aus
der oberen Tabellenhälfte zusammentreffen würde, das seien Leute wie er. Ob
sich mit ihm trainieren wolle? Ich sage, das sei aussichtlos, er würde mich
doch sofort mit einem Schwung auf den Rücken werfen. Er lacht, ja, das werde
gewiss so sein. Ich befürchte, dass ich mich dabei verletzen könnte und weiche
ihm aus. Er möchte aber gerne seine Kräfte zeigen und packt mich. Ich lege mich
auf den Boden, auf den Bauch. Jetzt müsste er mich, wie es die Schwinger tun,
wenden und auf den Rücken legen. Das kann er aber interessanterweise nicht,
denn ich bin offenbar sehr schwer und hafte wie eine Muschel am Boden fest. Er
holt einen Kameraden, aber auch mit ihm geht es nicht. Dann werde man eben zu
viert kommen, sagt er Schwinger und holt weitere Kämpfer herbei. Ob ich mich
nicht doch abmelden sollte? Oder einfach nicht hingehen. Wie bin ich nur auf
die unsinnige Idee gekommen, an ein Schwingfest zu gehen? Kollegen haben mich
dazu verleitet, und die Aussicht, dass im Teilnehmerfeld Leute sein werden, die
ich sicher besiegen könnte. Eine ältere, häufig kranke Arbeitskollegin sagte
mir, dass sie gehen werden, ebenso ein gebrechlicher Nachbar, der schon über
achtzig Jahre alt ist.
Montag, 19. April 2021
Krieg.
Ich liege mit wenigen Kameraden in einem flachen Gelände hinter kleinen Mauern.
Wir werden beschossen und dürfen auf keinen Fall über die Mauern blicken, das
wäre sofort tödlich. Jetzt aber schiessen die Feinde mit einer anderen Waffe,
deren Kugeln mit einem Bogen daherkommen, aber nicht weniger gefährlich sind.
Sie prasseln nun auf uns nieder, wir müssen weg. Ich renne weg, zunächst
ungefährdet, über ein Feld. Man verfolgt uns aber jetzt mit Flammenwerfern, die
eine grosse Reichweite haben. Ich sehe, wie die schmalen Feuerstrahlen meine
Kameraden treffen, über hundert Meter hinweg, und sie in einen Feuerball
verwandeln. Auch ich erwarte dieses Schicksal, sehe aber zunächst zu, wie sich
ein feindlicher Soldat mit einem Flammenwerfer einem unbeteiligten Zivilisten
nähert, der, angezogen wie ein Geschäftsmann, sitzend in einem Buch liest. Aus
nächster Nähe wird dieser Herr getroffen und getötet.
Donnerstag, 15. April 2021
Ich
stehe mit der Botschafterin vor der Eingangstür zu einer schweizerischen
Botschaft. Auf dem breiten Gehweg kommt eine grosse Gruppe chinesischer
Diplomaten auf uns zu. Ich nehme an, dass sie noch abzweigen werden, nach
links, zur chinesischen Niederlassung. Sie kommen nun aber auf uns zu. Ohne auf
die Begrüssung zu warten, geht die Botschafterin mit mir ins Gebäude zurück.
Ich frage sie, sie denn Chinesen erwartet habe. Ja, sagt sie, es finde ein
Empfang statt. Ist sie denn darauf vorbereitet? Nein, sagt sie, aber es brauche
keine Vorbereitung, denn die Chinesen würden nur sehr lange Reden halten und
dann wieder gehen. Alles sei ganz einfach, für einen solchen Empfang brauche
sie keinen Aufwand zu betreiben. Die Botschafterin ist schon lange in China und
versteht chinesisch, was aber, wie sie sagt, gar nicht nötig sei. Die Reden
seien belanglos. Sie zeigt mir kleine Kopfhörer und sagt, sie werde während des
Empfangs ein Hörbuch hören.
Donnerstag, 8. April 2021
Kleine
Hafenstadt. Menschen versammeln sich, die alle evakuiert werden müssen. Es
stehen aber nur zwei Schiffe zur Verfügung, die vielleicht etwa 500 Menschen,
aber niemals alle aufnehmen können. Ein grosses Gedränge entsteht. Ich gelange
mit viel Mühe auf das erste Schiff, das schon überfüllt ist, kann aber von dort
aus auf das zweite Schiff hinübergehen, auf dem es noch freie Plätze gibt.
Beide Schiffe sind nun so schwer beladen, dass sie zu kentern drohen, das erste
hat schon eine grosse Schlagseite. Da es aber Schiffe sind, die auch als
Flugzeuge verwendet werden können, heben sie nun ab, noch immer miteinander
verbunden, aber nur durch mich. Ich halte das zweite Flugzeug mit
ausgestrecktem Arm in der Luft. Später schwebe ich dann ganz allein mit einem
kleinen Fluggerät, das nur aus einem Sitz und einem Propeller besteht, in geringer
Höhe über einer flachen Küste. Ein Kind will mit mir wegfliegen, es springt mir
nach und ruft und will mich fassen, was ihm aber nicht gelingt. Ich kann es
unmöglich mitnehmen, weil mein Maschinchen niemals beide tragen kann. Ich
fliege höher hinauf und weg, auf das Meer hinaus.