Dienstag, 30. März 2021

Ich möchte Kontakt aufnehmen mit einem alten Bekannten aus der Jugendzeit, der Schriftsteller geworden ist. Ich besuche daher in unserer alten katholischen Kirche eine Messe, an der er auch stets teilzunehmen pflegt. Er hat offenbar im Alter die Kirche, von der er sich ja mit achtzehn Jahren losgesagt hatte, wieder entdeckt und nimmt sie sehr ernst. Ich treffe ihn nach dem Gottesdienst, und er lädt mich ein, ihn in seiner unweit gelegenen Wohnung zu besuchen. Er bewohnt eine Schriftstellerklause, randvoll mit Büchern und Papieren, die sich am Boden und auf hohen Büchergestellen stapeln. Ich frage ihn, ob ich ihm etwas helfen könnte beim Schreiben seiner Jugenderinnerungen. Ich hätte ja auch sehr viele Erinnerungen an diese alten Zeiten. Er geht aber nicht darauf ein, sondern übergibt mir handschriftliche Notizen. Es sind Exzerpte aus den «Sudelbüchern» von Lichtenberg, von dem er offensichtlich sehr viel hält. Er habe Lichtenberg erst kürzlich entdeckt und möchte dessen Texte für seine Arbeit verwenden. Ich solle sie doch bitte ins Reine schreiben, damit wäre ihm geholfen. Ich weiss gar nicht, was ich sagen soll. Er hat wohl keine Ahnung davon, dass alles von Lichtenberg im Internet zu finden ist. Dass ich mich selber seit langem mit Lichtenberg beschäftige, wage ich gar nicht zu sagen, von der Beschäftigung mit Goethe, Proust, Schopenhauer, Kierkegaard, La Bruyère, Chamfort und Nietzsche gar nicht zu reden.

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