Ich
bin vor einem Jahr Mitglied eines städtischen Gremiums geworden, das mich nicht
interessiert und von dem ich auch nicht genau weiss, welche Funktion es hat. Es
ist eine Art von Liegenschaftsausschuss, der gewisse Projekte beurteilen
sollte, aber offenbar keinerlei Kompetenzen besitzt. Jetzt findet wieder eine
Sitzung statt, in einem alten Gebäude, einem Wohnhaus ohne angemessene
Sitzungszimmer. Ich stelle kurz vor Sitzungsbeginn «mit Schrecken» (so sage ich
es dem Präsidenten) fest, dass ich ja das Protokoll der letzten Sitzung hätte
anfertigen sollen. Ich habe nur sehr rudimentäre Notizen, kaum Hinweise auf die
Teilnehmer und Traktanden, einige Zahlen ohne jeden Zusammenhang, dazu nach
meiner Art Gekritzel und Zeichnungen. Der Präsident, ein energiegeladener,
umtriebiger junger Mann mit stahlblauen Augen, ist ungehalten und sagt, das
gehe gar nicht, wir müssten ein Protokoll haben. Er setzt sich hin, wenige
Minuten vor Sitzungsbeginn, und will an seinem Notebook noch ein kleines
Protokoll verfassen. Ich gebe ihm meine Notizen, mit denen er aber wenig
anfangen kann. Er schreibt irgendetwas und glaubt, so die Sache noch regeln zu
können. Es hängt ja schliesslich alles von ihm ab, und niemand wird nach dem
Protokoll fragen. Wichtiges haben wir ja nicht beschlossen, und es ist unklar,
ob wir überhaupt etwas hätten beschliessen können. Es hatte keine
Traktandenliste gegeben, eine solche existierte wohl nur im Kopf des
Vorsitzenden, von dem alles abhängt, und die Namen der Mitglieder stehen auch
nicht fest. Es scheint, dass diese von Sitzung zu Sitzung wechseln. Der junge
Mann erinnert mich auch daran, dass im Herbst noch eine Sitzung stattgefunden
habe, damals ohne ihn. Ob dort der Herr Jones dabeigewesen sei, fragt er mich.
Ich habe ich nicht die geringste Erinnerung an dieses Treffen, von ich doch
auch ein Protokoll hätte schreiben müssen.
Mittwoch, 16. September 2020
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