Montag, 15. Juni 2015


Wir sind Kantonsschüler und stehen vor der Matura. Wir haben eine Prüfung in Geographie, die wichtig sein wird, weil wir in Geographie noch kein Ex hatten und dieses Ex demnach die Note massgebend bestimmen wird. Wir nehmen aber die Sache nicht ernst, nehmen an, dass wir uns problemlos eine gute Note sichern können und hören den Erklärungen der Lehrerin nicht zu. Sie verteilt nach längeren Ausführungen jedem eine Karte. Wir entfalten sie, sie zeigt uns unbekannte Gebiete, vermutlich Teile von Belgien, Holland oder Frankreich. Sie ist voller grüner, roter, blauer, gelber Punkte, deren Funktion die Lehrerin eben gerade erklärt hat, uns aber jetzt völlig unverständlich ist. Wir sollten diese Punkte interpretieren, irgendwelche Verbindungen aufzeigen, Wege, Strassen, Flüsse. Meine Kameraden beugen sich über die Karte und beginnen bereits fleissig zu schreiben. Die Zeit für die Lösung der Aufgabe ist im übrigen kurz bemessen, man muss seine Notizen demnächst schon abgeben. Wir aber haben nicht einmal Papier, nur lausige lächerliche Zettelchen, die ganz unbrauchbar sind. Wir suchen nun Papier, womit wir weiter Zeit verlieren. Wir finden einen Photokopierer, wollen dort einige Bögen Papier entnehmen, er ist aber mit einem dunklen, fast schwarzen Papier gefüllt. Schliesslich gibt uns ein Mitschüler unwillig ein Blatt von seinem Block, wir schreiben in der grössten Eile einfach einige der flämischen oder wallonischen Ortsnamen hin, in der Hoffnung, dass wir damit bei der Lehrerin irgendwelche Punkte holen und es nicht zu einer Eins kommt, was im Hinblick auf die bevorstehende Matura eine Katastrophe wäre. Zeit haben wir nur noch eine Minute! Und unter unseren Schulsachen herrscht die grösste Unordnung, wir haben uns eigentlich nie um die Schule gekümmert, sie war uns immer lästig. Jetzt aber herrscht ein Riesenchaos, in welchem wir nun auch noch das soeben beschriebene Blatt nicht mehr finden können. Wir können der Lehrerin nichts abgeben, rein gar nichts. Das führt uns in unserer Verzweiflung zu einer Ausrede, wir fragen, ob wir nicht vielleicht später noch etwas abgeben könnten. Die Lehrerin ist streng und ungeduldig, aber auch etwas zerstreut und nervös, sie sagt uns, ja, das sei schon möglich, vielleicht könnten wir ja „eine Alternative“ aufzeigen. Wir geben daher noch nicht alle Hoffnung auf und werden versuchen, ihr noch irgendetwas Schlaues abzugeben, unter Konsultation meiner Mitschüler, die mir wohl noch gnädig gesinnt sind und einige Hinweise geben. Jetzt gehen wir mit ihnen seufzend und erschöpft in die Pause, sagen, dass es gut sei, dass wenigstens der Franzlehrer nie eine Prüfung mache und allen eine genügende Note gebe, der Franzlehrer könnte uns ja mit dem Franz ganz schrecklich plagen und viel Aufwand verlangen.

Keine Kommentare: