Dienstag, 21. August 2012


Wir wohnen an einer leicht abschüssigen breiten Strasse in einem Wohnblock. Weiter oben wird ein grosser Sportanlass durchgeführt, es findet dort die Eröffnung der Olympischen Sommerspiele statt, und zwar mit dem ersten Wettkampf, dem Strassen-Radrennen der Herren. Die riesige Tribüne ist schon voll besetzt, die Rennfahrer trainieren aber noch und rasen mit grosser Geschwindigkeit an uns vorbei. Das ist recht gefährlich, weil sich auf der für den Verkehr gesperrten Strasse noch immer Fussgänger und Kinder aufhalten. Was wird erst geschehen, wenn der Start erfolgt und das ganze Feld heranbraust, denken wir. Es könnten gefährliche Situationen entstehen. Wir befürchten insbesondere, dass auch unsere Gattin, die einkaufen gegangen ist, in einen Unfall verwickelt werden könnte. Einer der Rennfahrer macht Spässe, er fährt mit einem Kind herum, das auf seinem Kindervelo sitzt und nun gestossen und geführt wird und zusammen mit dem Spitzensportler wilde Kurven fährt. Wir gehen hinauf, der Strasse entlang, zur Tribüne. Dort werden feierliche Zeremonien durchgeführt und Reden gehalten, verschiedene Politiker sind anwesend, insbesondere aus dem vaterländischen und patriotischen Lager. Blocher ist auch da, er sieht uns und lädt uns freundlich ein in sein Haus, das sich oberhalb der Tribüne am Berghang befindet. Wir sind nicht allein unterwegs, sondern mit einigen Freunden und Kollegen, die allesamt Blocher-Kritiker sind, jetzt aber mit heftigen Armbewegungen allesamt eingeladen werden. Kommt, kommt, sagt Blocher, und drängt uns den Besuch geradezu auf, obwohl er und wir dann das Rennen wohl gar nicht sehen werden. Der Start findet in zehn Minuten statt, und es ist sehr wohl denkbar, dass ein Schweizer das Rennen und damit Gold gewinnt. Wir werden von Blocher durch seinen Garten geführt. Ein brauner Pudel erscheint, ein berühmtes Tier, dessen Name die halbe Schweiz kennt, wir aber zu unserer Beschämung nicht wissen. Dann kommen wir zu einer gedeckten Laube, in welcher die ganze zahlreiche Familie auf einer langen Bank im Halbdunkel an einem Tisch sitzt. Die andere Bank ist noch frei, und wir werden eingeladen, uns hier zu setzen. Kennt ihr meine Familie, fragt Blocher. Nein, sagen wir, nicht genau, wir können sie auch nicht genau sehen, sie sitzen ja alle im Dunkeln. Blocher lacht, stellt uns dann alle Anwesenden vor, von links nach rechts. Wir fühlen uns unbehaglich und überlegen uns, was wir denn jetzt am Tisch mit diesen zahlreichen Blochers reden könnten. Könnten wir vielleicht fragen, ob sich auch einer von ihnen für Literatur interessiert? Oder ob Blochers Schwester die einzige in der Familie ist, die ein Buch geschrieben hat. Ist es nicht unhöflich, von dieser Schwester zu reden, die hier gewiss keinen guten Ruf besitzt. Und was würden wir antworten, wenn man uns fragen würde, ob wir ihr Buch gelesen hätten. Nein, würden wir sagen, wir haben es nicht gelesen, wir lesen solche Bücher nicht gerne, sie regen uns nämlich auf, weil sie meistens sehr selbstgefällig sind. So könnten wir reden, und beifügen, die Schwester würde sicher schreiben, dass sie den besseren Teil der Familie Blocher repräsentieren würde. Solche Gedanken gehen uns durch den Kopf, wir stehen noch immer vor der versammelten Schar der Kinder und Freunde und sollten nun Platz nehmen, vom Rennen, das in diesen Minuten beginnt, ist keine Rede mehr.

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