Aufenthalt
in einer Station auf einer Bergspitze, wir haben viele Kameraden, es ist ein
Lager, halb Schule, halb Militär, wobei wir
aber auch Freizeit und Sport haben. Die Organisation ist kompliziert,
wir haben viele Aufgaben und Termine, erinnern uns aber jetzt nur noch an eine
Einzelheit. Wir treiben allerlei Schabernack, unter anderem mit einer kleinen
Plattform, die sich an einem langen Arm wie bei einem Kran bewegen lässt. Auf
diese Plattform, auf der sich nur ein Stuhl befindet, haben uns die Kameraden
gelockt. Als wir Platz nehmen, bewegen sie sie, weit hinaus, unter uns sehen
wir zuerst noch die Gipfel einzelner Tannen, dann geht es Hunderte von Meter in
die Tiefe. Unsere Plaggeister drehen und und schaukeln uns, wir können nur mit
Mühe das Gleichgewicht behalten und müssen uns mit allen Kräften an einem
kleinen Geländer festhalten. Wir bitten sie, aufzuhören mit diesem gefährlichen
Unsinn. Sie sehen selber ein, dass sie zu weit gehen und fahren uns zurück zur
Station. Durch diesen Streich sind wir aber aufgehalten worden und konnten
unsere Arbeiten nicht erledigen. Wir hätten aufräumen und packen sollen, was
nun kaum mehr möglich sein wird.
Sonntag, 26. August 2012
Dienstag, 21. August 2012
Wir
wohnen an einer leicht abschüssigen breiten Strasse in einem Wohnblock. Weiter
oben wird ein grosser Sportanlass durchgeführt, es findet dort die Eröffnung
der Olympischen Sommerspiele statt, und zwar mit dem ersten Wettkampf, dem
Strassen-Radrennen der Herren. Die riesige Tribüne ist schon voll besetzt, die
Rennfahrer trainieren aber noch und rasen mit grosser Geschwindigkeit an uns
vorbei. Das ist recht gefährlich, weil sich auf der für den Verkehr gesperrten
Strasse noch immer Fussgänger und Kinder aufhalten. Was wird erst geschehen,
wenn der Start erfolgt und das ganze Feld heranbraust, denken wir. Es könnten
gefährliche Situationen entstehen. Wir befürchten insbesondere, dass auch
unsere Gattin, die einkaufen gegangen ist, in einen Unfall verwickelt werden
könnte. Einer der Rennfahrer macht Spässe, er fährt mit einem Kind herum, das
auf seinem Kindervelo sitzt und nun gestossen und geführt wird und zusammen mit
dem Spitzensportler wilde Kurven fährt. Wir gehen hinauf, der Strasse entlang,
zur Tribüne. Dort werden feierliche Zeremonien durchgeführt und Reden gehalten,
verschiedene Politiker sind anwesend, insbesondere aus dem vaterländischen und
patriotischen Lager. Blocher ist auch da, er sieht uns und lädt uns freundlich
ein in sein Haus, das sich oberhalb der Tribüne am Berghang befindet. Wir sind
nicht allein unterwegs, sondern mit einigen Freunden und Kollegen, die allesamt
Blocher-Kritiker sind, jetzt aber mit heftigen Armbewegungen allesamt
eingeladen werden. Kommt, kommt, sagt Blocher, und drängt uns den Besuch
geradezu auf, obwohl er und wir dann das Rennen wohl gar nicht sehen werden.
Der Start findet in zehn Minuten statt, und es ist sehr wohl denkbar, dass ein
Schweizer das Rennen und damit Gold gewinnt. Wir werden von Blocher durch
seinen Garten geführt. Ein brauner Pudel erscheint, ein berühmtes Tier, dessen
Name die halbe Schweiz kennt, wir aber zu unserer Beschämung nicht wissen. Dann
kommen wir zu einer gedeckten Laube, in welcher die ganze zahlreiche Familie
auf einer langen Bank im Halbdunkel an einem Tisch sitzt. Die andere Bank ist
noch frei, und wir werden eingeladen, uns hier zu setzen. Kennt ihr meine
Familie, fragt Blocher. Nein, sagen wir, nicht genau, wir können sie auch nicht
genau sehen, sie sitzen ja alle im Dunkeln. Blocher lacht, stellt uns dann alle
Anwesenden vor, von links nach rechts. Wir fühlen uns unbehaglich und überlegen
uns, was wir denn jetzt am Tisch mit diesen zahlreichen Blochers reden könnten.
Könnten wir vielleicht fragen, ob sich auch einer von ihnen für Literatur
interessiert? Oder ob Blochers Schwester die einzige in der Familie ist, die
ein Buch geschrieben hat. Ist es nicht unhöflich, von dieser Schwester zu
reden, die hier gewiss keinen guten Ruf besitzt. Und was würden wir antworten,
wenn man uns fragen würde, ob wir ihr Buch gelesen hätten. Nein, würden wir
sagen, wir haben es nicht gelesen, wir lesen solche Bücher nicht gerne, sie
regen uns nämlich auf, weil sie meistens sehr selbstgefällig sind. So könnten
wir reden, und beifügen, die Schwester würde sicher schreiben, dass sie den
besseren Teil der Familie Blocher repräsentieren würde. Solche Gedanken gehen
uns durch den Kopf, wir stehen noch immer vor der versammelten Schar der Kinder
und Freunde und sollten nun Platz nehmen, vom Rennen, das in diesen Minuten
beginnt, ist keine Rede mehr.
Sonntag, 19. August 2012
Ein
grosser Marathon findet statt, mit vielen wenig trainierten Volksläufern. Wir
sind zu klug und zu vorsichtig, um angesichts unserer beschränkten Kräfte
selber mitzulaufen, beteiligen uns aber als Helfer. Viele Läufer, die am Ziel
eintreffen, haben grosse Wunden, insbesondere an den Beinen unter den Knien,
diese Stellen scheinen besonders stark beansprucht worden zu sein. Einer der
Helfer tut sich besonders hervor, behandelt die unzähligen Verwundeten mit
grösster Schnelligkeit, entfernt die verklebten blutigen Teile der Sportanzüge
und legt Wundverbände an. Solferino, rufen wir, Solferino, ein neuer Henri
Dunant! Dann gehen wir zurück zu unserer Wohnung, die aus sehr grossen, hellen
Räumen besteht. Wir haben sie für heute den Töchtern und ihren Freundinnen
überlassen, acht Mädchen seien sie, haben sie uns gesagt. Es sind aber jetzt
weit mehr gekommen, alle Zimmer sind mehrfach belegt. So kommen, denken wir,
bei der stets unverschlossenen Wohnung, wenigstens keine Einbrecher. Wir
erzählen vom Lauf und von den Verletzungen, es interessiert sich aber niemand
dafür. Man gibt uns zu trinken, reicht uns einen der Plastikbecher, die zu
Dutzenden auf den Tischen stehen, ganz wie bei den Verpflegungsständen beim
Marathon. Im Becher befindet sich eine undefinierbare, graue, aber offenbar
sehr gesunde und stärkende Flüssigkeit.
Donnerstag, 16. August 2012
Wir
haben das Diskutieren entdeckt, die Kunst des Gesprächs. Dieses Gespräch soll
der geistigen Vervollkommnung dienen. Es wird in einer kleinen Runde grosser
Geister zelebriert, zu der auch wir gehören. Wir treffen uns an jedem Sonntag
für mehrere Stunden und sitzen um einen grossen Tisch, auf welchem einzelne
auch zu liegen pflegen, nach römischer oder griechischer Art. Wir sind wenige,
haben aber grossen Zulauf von interessierten Zuhörerinnen und Zuhörern,
besonders interessiert zeigen sich einige sehr schöne Frauen, die sich uns
nähern und von uns naturgemäss ganz gerne in die Gespräche einbezogen werden.
Es entstehen sogar Konkurrenzsituationen, die Frauen bemühen sich, in unsere
Nähe zu kommen und unsere Aufmerksamkeit zu gewinnen. Das kann auch störend
sein, zum Beispiel gerade jetzt, wo sich eine junge Frau neben uns gesetzt hat.
Sie ist rotblond, sieht aus der Ferne interessant aus, aus der Nähe aber hat
sie doch etwas grobe und unschöne Züge. Alle Versammelten sind viel gereist und
kommen aus aller Welt. Unsere Nachbarin aber erklärt, wie wenn das etwas ganz
Besonderes wäre, dass sie aus Münsingen komme und immer in Münsingen gelebt
habe. Später liegen auch wir auf dem Tisch, wo sich die Ehrenplätze befinden
und führen mit viel Eleganz und grossem Stil das Gespräch. Es hat sich eine
Diskussion um die Obergrenze der Versammlungsteilnehmer ergeben. Wir sind der
Meinung, dass eine fruchtbare gute Diskussion nicht mehr möglich ist, wenn mehr
als sechzehn Leute teilnehmen. Andere bestreiten das und sagen, dass es auch
weit mehr Leute sein könnten.
Montag, 13. August 2012
Frau
P., seit vielen Jahren unsere sehr geschätzte Mitarbeiterin, bringt, um uns
eine Freude zu machen, grosse Gummibäume mit ins Büro. Es sind gewaltige
Gewächse, dicke Stämme, eng miteinander verwachsen, die so viel Erde benötigen,
dass sie gleich in grossen Mengen verstreut worden ist und nun in einer dicken
Schicht so etwa die Hälfte aller Bodenfläche einnimmt. Wer sich jetzt in den
Arbeitsräumen bewegt, kann nicht vermeiden, dass die Schuhe voller Erde werden
und dass die Erde weiter verbreitet wird, unter anderem auch in unseren
Wohnräumen, die sich gleich an die Büroräume anschliessen. Frau P. will uns
alles schenken, sie braucht diese herrlichen Pfanzen nicht mehr, sagt sie, wenn
wir sie nicht haben wollten, so könnten wir sie ja immer noch wegwerfen. Das
wird uns eine Riesenarbeit geben, das wird kaum lösbare Probleme bieten, denn
einige Stämme sind sogar mit einem grossen Felsbrocken verwachsen, der gewiss
mehrere hundert Kilo schwer ist. Wir fragen, wie um Himmelswillen dieser Fels
hineingekommen ist, zu Dritt habe man ihn getragen, sagt Frau P., zu Dritt.
Donnerstag, 9. August 2012
Wir stehen in einem Bus, der angehalten hat, und
wollen aussteigen. Wir sind nur wenige Leute, die alle einen HIV-Test haben
machen müssen, wer negativ ist, kann aussteigen, vorne steht ein Arzt und winkt
die Negativen vorbei, es gebe nur einen, der Positiv sei, hat er gesagt. Ich
komme als letzter zu ihm, er schaut mich bedenklich an und erklärt, ich sei es,
ich sei der Positive, es seien sehr hohe Werte festgestellt worden, so hohe
Werte, dass es keine Gegenmittel mehr gebe und ich mit einem baldigen Ende
rechnen müsse, es gebe keine Hoffnung mehr. Meine Sorgen beginnen. Wie ist die Sache
Frau und Kindern zu erklären? Wie steht es mit meiner Frau, ist sie vielleicht
auch positiv, und was geschieht jetzt mit den Aufzeichnungen, mit Euphrosyne und allem anderen, jetzt muss
etwas geschehen damit, oder werfen wir alles weg, löschen wir es in den
Speichermedien. Spielt das alles jetzt noch eine Rolle?
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