Freitag, 23. März 2012

Es ist unser letzter Wiederholungskurs, der zweitletzte Tag, alles ist am Zurückfassen, am Reinigen, Ordnen, Einpacken, Putzen. Bald sind wir diese Plackerei los, eine sinnlose Plackerei, mit der wir nie etwas haben anfangen können. Es gelingt uns allerdings, auf unsere Art, noch etwas ganz Dummes zu machen, wir haben zum allgemeinen Vergnügen ein Feuerchen gemacht und darin einige Abfälle verbrannt, mit verbrannt worden sind aber durch unsere Nachlässigkeit auch drei Gewehrpatronen, die grossen, golden glänzenden Messing-Patronen. Diese Patronen hätten natürlich schon längst abgegeben werden müssen, wir aber besassen sie noch, das ist typisch für uns, wir sind in militärischen Dingen ganz schlampig und unzuverlässig, ja geradezu subversiv. Es gab also drei gewaltige Detonationen, Metallstücke flogen herum und hätten Kameraden verletzen können, diese Kameraden sind plötzlich gegen uns, bedrohen uns, wollen tätlich werden. Ein Korporal zieht uns weg, man sagt uns, dass eine solche Nachlässigkeit schwere Konsequenzen haben werde, es müsse eine militärgerichtliche Untersuchung eingeleitet werden, wenn es nicht Gefängnis absetze so gewiss eine hohe Busse. Wir gehen geknickt ins alte Schulhaus, das als Kantonnement dient, allein mit unserem Kummer, und packen dort in der Toilette unsere persönlichen Sachen. Das ist wie gewohnt schwierig, wir haben wenig Platz zum Verstauen aller dieser vielen Dinge, die ein Soldat haben muss, alles liegt verstreut herum, es lässt sich nicht alles im Rucksack und im Effektensack unterbringen, Es muss aber auch nicht alles untergebracht werden, mehrere Flaschen mit Getränken brauchen wir gewiss nicht mehr, etwas Sirup und auch ein fast leeres Fläschchen mit Shampoo werfen wir weg, wir leeren sie aus, werfen sie in den Abfallkübel. Wir befinden uns in einem Untergeschoss und sehen durch kleine Fenster auf den Pausenplatz, dort sind Gruppen von Soldaten versammelt, denen noch irgendwelcher Unterricht gegeben wird, am letzten Tag sind das nur noch überflüssige Veranstaltungen, die dazu dienen, die Zeit zu überbrücken und die Leute bei der Stange zu halten. Wir sehen einen umtriebigen Nationalrat mit einer Gruppe über Quartierarbeit diskutieren, da erscheint, schon in Zivil, der Kompaniekommandant, den ich bisher nur von weitem gesehen habe, sind Sie der Herr Hugentobler, fragt er, in spöttischem Ton. Ja, der bin ich, leider, antworten wir. Der Kadi lächelt, er möchte mit mir reden. Sie wissen, um was es geht, sagt er, wird aber sofort abgelenkt, muss ins Obergeschoss eilen um etwas zu entscheiden, kommt zurück, schlägt mir, um in Ruhe reden zu können, einen kleinen Spaziergang vor. Er legt den Arm um mich und sagt, er heisse Bürger, er sei auch ein ruhiger Bürger, ein eher meditativer Typ. Wir versetzen, dass auch wir ein sehr ruhiger Mensch wären, ebenfalls sehr meditativ. Er lacht gezwungen und ungläubig. Er scheint mich für eher gefährlich zu halten. Ja, sagt er, manchmal gehen die Dinge eben schief. Wir entgegnen, dass alles eine Verkettung unglücklicher Umstände sei, gegen welches niemand gefeit sei, auch ein Kommandant in einem Manöver nicht, wenn dort alles schief gehen müsse, gehe eben alles schief. Wir haben auf einer schmalen Strasse das Dorf verlassen, in welchem die Truppe stationiert ist und kommen nun zu einer Gruppe von alten herrschaftlichen Häusern. Ein breites kunstvolles schmiedeisernes Gitter schliesst die Strasse ab, es ist geschlossen, wer zu den Häusern will, muss einen anderen Weg nehmen. Wir sehen einen alten Herrn in einem gediegenen Wagen vorbeizuckeln, Der Herr Hauptmann Bürger sagt, er kenne ihn, er lebe hier im Altersheim, der ganze Komplex sei eine Seniorensiedlung, allerdings nur für wohlhabende Leute. Er versucht, die Türen des Gitters zu öffnen, zwei Offiziere treten hinzu, auch die Frau des Hauptmanns erscheint, sie ist gekommen, um ihn abzuholen, Hauptmann Bürger spielt nun plötzlich zum Spass Soldat, pflanzt sich hinter dem Gitter auf, bildet mit der Hand eine Pistole und schiesst, peng, peng, peng, man lacht, es scheint am Ende, dass unser Vergehen gar nicht so gross ist. Wir sind erleichtert, nehmen an, dass unser Vergehen vielleicht doch nicht so gross ist und dass Bürger uns laufen lassen will. Er scheut wahrscheinlich die Umstände, die eine Strafverfolgung machen würde. Am Ende eines Wiederholungskurses kann man niemanden mehr einsperren, da ist man überlastet mit Kleinkram, mit fehlenden Gasmasken und Gamaschen und Abrechungen über Hörnli und Apfelmus. Bedrohlich ist die Lage allerdings noch immer. Vielleicht will er uns nur aushorchen und studieren, vielleicht will er sich auf unsere Kosten etwas amüsieren und dann doch plötzlich ein strenges Urteil fällen. Figuren wie wir es sind, sind ihm gewiss nicht sympathisch. Es ist ein Unglück, denkt er wohl, dass es solche jungen Menschen gibt.

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