Freitag, 30. März 2012
Wir arbeiten auf einer grossen Baustelle für eine Baufirma. Wir haben unklare Funktionen, sind nicht Architekt oder Baufachmann, auch nicht Jurist, haben aber jetzt eine Sicherheitsfrage zu bearbeiten. Ein Schwerverbrecher ist uns übergeben worden, er sitzt in unserem Büro, wir nehmen mit zwei Kollegen den Fall auf. Es ist klar, dass er mit Sicherheit zum Tode verurteilt werden wird, denn er hat mehrere Menschenleben auf dem Gewissen, die er bei einer Schiesserei getötet hat. Der Mann ist sehr passiv und teilnahmslos, gibt uns bereitwillig Auskunft und ist geständig. Er ist noch nicht verhaftet worden und läuft in den weitläufigen Büroräumlichkeiten frei herum, könnte jederzeit durch das Treppenhaus verschwinden. Er scheint aber nicht so recht zu wissen, was auf ihn zukommt, steht herum und denkt offenbar nicht an Flucht. Dennoch sind wir sehr beunruhigt, denn wenn wir ihn entwischen liessen, gäbe das einen riesigen politischen Skandal. Wir suchen nun den Sicherheitschef, der auch irgendwo sein Büro hat, finden aber nur andere Personen, einen Architekten, einen Bauführer, die uns aufhalten und uns in Verlegenheit bringen, weil wir ihre Namen schon wieder vergessen haben. Sie machen uns darauf aufmerksam, dass die an sich sehr schön mit Filzstiften gemalten Beschriftungen der Büros und Sitzungszimmer fehlerhaft sind und fast komisch wirken. Wir haben nicht gewusst, dass wir für diese Tafeln verantwortlich sind, entschuldigen uns ohne viel Engagement und eilen weiter, müssen nun unbedingt den Sicherheitschef finden und wenn immer möglich auch einige Sicherheitsleute.
Freitag, 23. März 2012
Es ist unser letzter Wiederholungskurs, der zweitletzte Tag, alles ist am Zurückfassen, am Reinigen, Ordnen, Einpacken, Putzen. Bald sind wir diese Plackerei los, eine sinnlose Plackerei, mit der wir nie etwas haben anfangen können. Es gelingt uns allerdings, auf unsere Art, noch etwas ganz Dummes zu machen, wir haben zum allgemeinen Vergnügen ein Feuerchen gemacht und darin einige Abfälle verbrannt, mit verbrannt worden sind aber durch unsere Nachlässigkeit auch drei Gewehrpatronen, die grossen, golden glänzenden Messing-Patronen. Diese Patronen hätten natürlich schon längst abgegeben werden müssen, wir aber besassen sie noch, das ist typisch für uns, wir sind in militärischen Dingen ganz schlampig und unzuverlässig, ja geradezu subversiv. Es gab also drei gewaltige Detonationen, Metallstücke flogen herum und hätten Kameraden verletzen können, diese Kameraden sind plötzlich gegen uns, bedrohen uns, wollen tätlich werden. Ein Korporal zieht uns weg, man sagt uns, dass eine solche Nachlässigkeit schwere Konsequenzen haben werde, es müsse eine militärgerichtliche Untersuchung eingeleitet werden, wenn es nicht Gefängnis absetze so gewiss eine hohe Busse. Wir gehen geknickt ins alte Schulhaus, das als Kantonnement dient, allein mit unserem Kummer, und packen dort in der Toilette unsere persönlichen Sachen. Das ist wie gewohnt schwierig, wir haben wenig Platz zum Verstauen aller dieser vielen Dinge, die ein Soldat haben muss, alles liegt verstreut herum, es lässt sich nicht alles im Rucksack und im Effektensack unterbringen, Es muss aber auch nicht alles untergebracht werden, mehrere Flaschen mit Getränken brauchen wir gewiss nicht mehr, etwas Sirup und auch ein fast leeres Fläschchen mit Shampoo werfen wir weg, wir leeren sie aus, werfen sie in den Abfallkübel. Wir befinden uns in einem Untergeschoss und sehen durch kleine Fenster auf den Pausenplatz, dort sind Gruppen von Soldaten versammelt, denen noch irgendwelcher Unterricht gegeben wird, am letzten Tag sind das nur noch überflüssige Veranstaltungen, die dazu dienen, die Zeit zu überbrücken und die Leute bei der Stange zu halten. Wir sehen einen umtriebigen Nationalrat mit einer Gruppe über Quartierarbeit diskutieren, da erscheint, schon in Zivil, der Kompaniekommandant, den ich bisher nur von weitem gesehen habe, sind Sie der Herr Hugentobler, fragt er, in spöttischem Ton. Ja, der bin ich, leider, antworten wir. Der Kadi lächelt, er möchte mit mir reden. Sie wissen, um was es geht, sagt er, wird aber sofort abgelenkt, muss ins Obergeschoss eilen um etwas zu entscheiden, kommt zurück, schlägt mir, um in Ruhe reden zu können, einen kleinen Spaziergang vor. Er legt den Arm um mich und sagt, er heisse Bürger, er sei auch ein ruhiger Bürger, ein eher meditativer Typ. Wir versetzen, dass auch wir ein sehr ruhiger Mensch wären, ebenfalls sehr meditativ. Er lacht gezwungen und ungläubig. Er scheint mich für eher gefährlich zu halten. Ja, sagt er, manchmal gehen die Dinge eben schief. Wir entgegnen, dass alles eine Verkettung unglücklicher Umstände sei, gegen welches niemand gefeit sei, auch ein Kommandant in einem Manöver nicht, wenn dort alles schief gehen müsse, gehe eben alles schief. Wir haben auf einer schmalen Strasse das Dorf verlassen, in welchem die Truppe stationiert ist und kommen nun zu einer Gruppe von alten herrschaftlichen Häusern. Ein breites kunstvolles schmiedeisernes Gitter schliesst die Strasse ab, es ist geschlossen, wer zu den Häusern will, muss einen anderen Weg nehmen. Wir sehen einen alten Herrn in einem gediegenen Wagen vorbeizuckeln, Der Herr Hauptmann Bürger sagt, er kenne ihn, er lebe hier im Altersheim, der ganze Komplex sei eine Seniorensiedlung, allerdings nur für wohlhabende Leute. Er versucht, die Türen des Gitters zu öffnen, zwei Offiziere treten hinzu, auch die Frau des Hauptmanns erscheint, sie ist gekommen, um ihn abzuholen, Hauptmann Bürger spielt nun plötzlich zum Spass Soldat, pflanzt sich hinter dem Gitter auf, bildet mit der Hand eine Pistole und schiesst, peng, peng, peng, man lacht, es scheint am Ende, dass unser Vergehen gar nicht so gross ist. Wir sind erleichtert, nehmen an, dass unser Vergehen vielleicht doch nicht so gross ist und dass Bürger uns laufen lassen will. Er scheut wahrscheinlich die Umstände, die eine Strafverfolgung machen würde. Am Ende eines Wiederholungskurses kann man niemanden mehr einsperren, da ist man überlastet mit Kleinkram, mit fehlenden Gasmasken und Gamaschen und Abrechungen über Hörnli und Apfelmus. Bedrohlich ist die Lage allerdings noch immer. Vielleicht will er uns nur aushorchen und studieren, vielleicht will er sich auf unsere Kosten etwas amüsieren und dann doch plötzlich ein strenges Urteil fällen. Figuren wie wir es sind, sind ihm gewiss nicht sympathisch. Es ist ein Unglück, denkt er wohl, dass es solche jungen Menschen gibt.
Dienstag, 20. März 2012
Der ehemalige Chef, ein rastloser und energischer Giftzwerg, erscheint nach Jahren sehr aufgebracht und entrüstet in unserem Dienst. Ich bin, als sein Nachfolger, erschrocken, denn es scheint, dass er auch als Rentner in unserer Organisation noch immer eine gewisse Stellung einnimmt und uns viele Unannehmlichkeiten bereiten kann. Er ist zornig und verlangt eine Untersuchung, weil es bei der Übergabe des Dienstes nicht mit rechten Dingen zu und her gegangen sei. Er sei betrogen worden, sagt er, wobei er in gewisser Hinsicht gar nicht Unrecht hat. Ich bin aber durchaus in der Lage, ihn in Schach zu halten, denn ich habe Material gegen ihn in den Händen. Wir hatten nämlich in den letzten Tagen seiner Herrschaft sein Büro durchsucht und Papiere gefunden, die ihn schwer belasten. Es kommt zu einem dramatischen Showdown, zu einer Sitzung, in welcher er vor den versammelten Mitarbeitern Vorwürfe gegen mich erhebt. Meine sonst immer sehr friedlichen Mitarbeiter reagieren hysterisch und geraten untereinander in einen heftigen Streit voller Beschuldigungen, die gar nichts mit den Vorwürfen des ehemaligen Chefs zu tun haben. Ich antworte dem alten Herrn ruhig und weise auf die Papiere hin, die ich besitze. Er gerät in einen fürchterlichen Zorn, muss aber erkennen, dass er machtlos ist. Er schliesst mit mir zähneknirschend einen Vergleich, wir vereinbaren die Niederlegung der Waffen, reichen uns sogar die Hände und gehen schweigend und grusslos auseinander.
Montag, 12. März 2012
Wir sind unterwegs, in den Ferien, irgendwo in den Bergen, Graubünden oder so, allein oder in einem Lager, das ist nicht ganz klar. Wir sind alleine und möchten eine kleine Wanderung unternehmen, was nicht ganz einfach ist, denn wir haben keine guten Schuhe. Auf den Wegen liegt noch Schnee, und alle Wanderwege führen hinauf, in Regionen, wo noch viel mehr Schnee liegt. Dorthin können wir also auf keinen Fall. Also entschliessen wir uns zu einer kleinen Zugsfahrt und fahren bis St. Moritz, dort sollten wir natürlich aussteigen und umkehren, weil wir sonst nicht mehr zu unserem Ausgangspunkt zurückkehren können. Wir wollen aussteigen, müssen uns aber zuerst noch die Schuhe binden, was zu lange dauert. Der Zug fährt schon weiter, und wir haben nicht einmal ein Billet für die Weiterfahrt. Der Zug fährt durch einen Tunnel und hält nun in Rhäzüns. Wir steigen nun wirklich aus und hoffen, dass noch ein Zug in der Gegenrichtung fährt. Wir gehen über die Geleise in den Wartesaal. Dort treffen wir auf Menschen, die uns bekannt vorkommen. Es sind offensichtlich Kameraden aus unserer Pfadfinderzeit, Leute, die wir seit vierzig Jahren nicht mehr gesehen haben. Sie nennen sich mit den alten Pfadinamen, die uns noch gut in Erinnerung sind. Wir sind froh, sie hier zu treffen, und sprechen sie an. Seid ihr vielleicht Goldenberger, fragen wir sie. Ja, sagen sie, etwas einsilbig. Wir sagen, wir seien ja auch einer gewesen, sie würden sich doch wohl noch an uns erinnern, und nennen unseren Pfadinamen. Ja, das hätten sie schon gesehen, sagen sie, sie würden uns kennen. Es scheint aber, als seien sie weiter nicht an uns interessiert, sie beschäftigen sich mit ihren Wanderangelegenheiten und machen bloss einige spöttische Bemerkungen. Sie zeigen auf unsere Jacke und sagen, wir seien ja mit einer richtigen Kapitänsuniform unterwegs. In der Tat, das sehen wir nun auch ein, unser Aufzug ist etwas speziell. Wir tragen nämlich eine Art von Pfadiuniform, mit allen Gradabzeichen, die wir in harten Prüfungen erworben hatten. Es aber eine stark verbesserte und verschönerte Uniform, es ist eine grüne Jacke, ein Veston, mit ziemlich pompösen gelben Gradabzeichen. Zusätzlich haben wir einen sehr auffälligen, breiten gelben Kragen aufgesetzt. Alles in allem reisen wir in einem Aufzug, der komisch wirkt, uns aber bisher nicht gestört hat, weil wir offenbar ein hochentwickeltes Selbstbewusstsein besitzen. Erst durch das Verhalten der alten Pfadikollegen wird uns klar, dass mit unserem Aufzug etwas nicht stimmt. Diese leben in einer einfachen, klaren, kleinen, bescheidenen Welt, eben in der normalen Welt, wir hingegen in einer Traumwelt.
Montag, 5. März 2012
Wir sind auf einer Expedition in der Antarktis, eine ziellose Expedition, die einfach nur ins Unbekannte führen sollte, in noch nicht entdeckte Gebirgsformationen. Wir steigen auf, immer im ewigen Eis, durch Schluchten, durch weite Täler, und eine erstaunliche Welt tut sich uns auf, wie sie noch kein Mensch gesehen hat. Nach einem langen Aufstieg kommen wir plötzlich zu einem riesigen, vielleicht vierhundert Meter langen und zweihundert Meter breiten Becken aus Beton, das von starken Gittern aus Metall überzogen wird, auf denen man auch gehen kann. Wir überqueren das Becken auf einem Steg, unter uns ein tiefes, dunkles, unbewegliches Wasser. Das kann nicht künstlich entstanden sein, sagen wir, das ist von irgendwelchen Kräften oder Mächten so angelegt worden. Die Antwort lässt nicht auf sich warten, Soldaten nähern sich uns, winken energisch, wir sind verhaftet und werden abgeführt, in ein Militärcamp. Es sind Chinesen. Es zeigt sich, dass wir in eine streng geheime chinesische Anlage geraten sind, man erhebt schwere Anklagen gegen uns, wirft uns Spionage vor, es ist ziemlich klar, dass uns die Todesstrafe droht. Wir versuchen uns zu verteidigen, erklären, wir seien Forscher, haben aber Schwierigkeiten, das zu beweisen, denn was wir eigentlich erforschen, ist uns selber nicht recht klar, wir haben keinen Auftrag, keine Instrumente, nur unsere Kleider und Ausrüstungsgegenstände. Wir verweisen am Ende, als keine Erklärungen helfen, auf unsere Gesichter, sehen sie unsere Gesichter, sagen wir zu den Richtern, sind das nicht ganz und gar ehrliche Gesichter, biedere Gesichter von Naturforschern und Wissenschaftern, denen man ganz einfach glauben muss, wenn sie erklären, dass sie diese Anlage nur durch Zufall entdeckt haben.
Sonntag, 4. März 2012
Wir sind in England, sind eingeladen zu grossen Krönungs- oder Jubiläumsfeierlichkeiten. Wir gehören zu den wenigen Eingeladenen aus der Schweiz, tragen unseren feinen, dunklen Anzug, in welchem wir bekanntlich immer sehr gut aussehen. Es ist Mittag, die feierlichen Zeremonien, die Gesänge und Ansprachen in der Kathedrale sind vorbei, und wir gehen durch den weitläufigen Schlosspark zurück zu einem Essen. Wir sind plötzlich allein und folgen langsam und gemessen dem ausgeschilderten Weg. Im Garten tanzt als besondere Attraktion das Ballett der Royal Opera, sie bilden einen Elfenwald, durch den die Gäste marschieren können. Wir gehen mitten durch diesen Wald aus schwankenden und winkenden Tänzern und haben einige Mühe mit dem Durchkommen. Ist es wirklich so gedacht, dass die Gäste durch die Aufführung hindurchschreiten? Oder machen wir hier eine Dummheit, die womöglich auch noch im Fernsehen direkt in alle Welt übertragen wird? Am Ende kommen wir wieder in riesige Vorzimmer und warten auf die Einladung zum Essen. Wir werden noch Zeuge einer lächerlichen und unschönen Szene. Eine Schweizer Parlamentarierin, die auch eingeladen ist, eine resolute, sehr bodenständige Person, ist mit ihrem Hund da und stösst mit einer ebenso resoluten, kräftigen, fast viereckigen Engländerin zusammen. Es ergibt sich ein wüster Streit, es wird geschimpft und gezetert, am Ende zieht der kräftige Hund die entrüstete Eidgenossin weg.
Donnerstag, 1. März 2012
Ich bin Parteipräsident und sollte eine Mitgliederversammlung leiten. Die Genossinnen und Genossen haben sich in einem grösseren Schulzimmer oder Hörsaal versammelt, es sind etwa vierzig Personen, von denen wir keine einzige kennen. Kurz vor Sitzungsbeginn meldet mir die Vorzimmerdame des Bundesrates, dass der sozialdemokratische Bundesrat und sein Generalsekretär, die beide an der Versammlung hätten teilnehmen sollen, krank seien. Ich bitte die Dame nachdrücklich, mir solche Sachen früher zu melden, weil ich dann die Versammlung noch rechtzeitig hätte absagen können. Auch jetzt will ich sie absagen, mit einiger Erleichertung, denn die Leitung der Sitzung liegt mir nicht und erfüllt mich mit Unbehagen. Aus der Teilnehmerschaft regt sich jedoch Widerstand. Man sagt, man hätte genügend Traktanden, die ohne das Beisein der beiden Erkrankten behandelt werden könnten, unter anderem verschiedene Berichterstattungen aus anderen Versammlungen und Seminaren, die schon das letzte Mal verschoben worden seien. Ja, gut, sage ich, dann halten wir selbstverständlich die Versammlung ab. Dumm ist, dass ich die Leute nicht kenne und sie nicht beim Namen nennen kann, wenn sie sich zu Wort melden. Ich überlege mir, wie ich noch innert nützlicher Frist zu einer Teilnehmerliste oder einem Sitzplan kommen könnte, finde aber keine Lösung, denn wenn ich eine Liste zirkulieren liesse, würde es bei der grossen Zahl der Versammelten viel zu lange dauern, bis sie wieder bei mir auftauchen würde. Der Beginn der Sitzung verzögert sich nun, weil einer der Teilnehmer nach zu mir gekommen ist und mir umständlich über die Organisation des Stimmausschusses berichtet, der am nächsten Abstimmungswochenende tätig sein wird. Ich höre ihm mit halbem Ohr zu und sage dann, er solle doch diese Mitteilungen auch an der heutigen Sitzung machen, sie seien gewiss für alle interessant. Der gute Mann sagt aber, das sei nicht nötig, er habe mir jetzt alles gesagt, und begibt sich wieder an seinen Platz.
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