Donnerstag, 29. Juli 2010
Wir waren in China, im kaiserlichen Palast, zunächst nur zu einer gewöhnlichen Besichtigung, wie sie für Touristen möglich ist. Wir bewunderten den kunstvollen Aufbau der riesigen Säle, die alle einen spiegelglatten, leicht abfallenden Holzboden besassen, der so angelegt war, dass man von einem bestimmten Punkt des Palastes auf einem Rollbrett oder mit Rollschuhen mühelos und mit Notfall sehr schnell die längsten Wege zurücklegen konnte. Wir erwarteten nicht, dass man uns zur kaiserlichen Familie führen würde, wir dachten, dass es diese doch gar nicht mehr geben würde, wurden nun aber plötzlich in die Ecke eines riesigen Saales geführt, in wel-cher auf einem Altar neben vielerlei Fläschchen, Kerzen, Kreuzen und Vasen auch allerlei unheimliche Kinder- und Tierfiguren standen, die zu leben schienen. Man deutete auf eine kleine Kröte mit flachem, breitem Maul und sagte, dass dies der Kaiser sei. Wir schreckten zurück, und die seltsame Besichtigung ging weiter, man zeigte uns gleich neben dem Altar eine kleine Türe, die in eine Kellerwohnung hinunterführte, in welchem, wie in einem armseligen Irrenhaus, einige in weisse Tücher gekleidete ältere Männer und Frauen her¬umgeisterten. Dies sei in Wahrheit die kaiserliche Familie, sagte man uns, die Ausstellungsstücke nebenan seien nur für die Verehrung durch das Volk bestimmt.
Montag, 19. Juli 2010
Wir leben einsam in einer Siedlung am Meer. Wir haben sogar Sicht auf das Meer, sehen aber nur einen Ausschnitt, weil uns vor unserem Fenster ein Vorbau die Aussicht versperrt. Es ist Abend. Wir gehen noch hinaus, für einen kleinen Spaziergang auf dem langen Quai. Die Sonne ist schon untergegangen, aber die Leute sitzen noch da, lehnen sich gegen eine kleine Mauer und strecken die Beine aus auf dem Sand. Wir gehen langsam an ihnen vorbei, hören gerne die paar Worte, die sie wechseln. Eine junge Frau sagt energisch und mit heller Stimme: Je m’en fiche! Wir lieben diese französischen Wortfetzen und würden uns gerne in die Nähe setzen, um die Unterhaltung weiter zu verfolgen, wagen es aber nicht und gehen weiter.
Sonntag, 18. Juli 2010
Mitternacht, Spital, vor einigen Tagen sind wir operiert worden, jetzt könnten wir eigentlich nach Hause gehen, sind aber offensichtlich vergessen worden, denn seit zwei Tagen haben wir keinen Arzt mehr gesehen. Wir handeln daher auf eigene Verantwortung und wollen verschwinden, wir packen unsere Sachen zusammen, ziehen, über das Pijama, den Mantel an und gehen aus dem Zimmer. Im Gang treffen wir einen dunkelhäutigen Assistenzarzt, der hier ein Praktikum als Endokrynologe absolviert und sich auch um uns gekümmert hat. Wir sagen ihm, dass wir nach Hause gehen würden, fragen aber noch, ob denn die Frau Doktor Moser, die uns behandelt hat, nicht doch vielleicht da sei. Ja, sie sei da, sagt er, er hole sie gleich. Sie kommt, eine ältliche, müde, stets etwas zerstreute Frau, sie ist sehr besorgt um uns, will noch mit uns reden und schlägt vor, doch noch hinaus in ein Café zu gehen. Wir gehen hinaus, in eine grosse fremde Stadt, überqueren breite Strassen und leere Plätze. Die Restaurants, die es hier hat, sind zu dieser späten Stunde geschlossen oder sehen wenig vertrauenswürdig aus. Wir gehen weiter, in Richtung Bahnhof, wohin ich sowieso gehen muss. Am Ende gelangen wir zu einem Wohnblock, in welchem die Frau Doktor wohnt, und sie schlägt nun vor, dass wir doch bei ihr etwas essen könnten. Sie führt uns in ihre schäbige kleine Wohnung und will uns etwas Besonderes kochen, eine Art Omelette. Dazu benötigt sie aber einen Pinsel. Wir finden einen Pinsel, der allerdings zum Malen gebraucht worden und voller schwarzer Farbe ist. Sie bittet uns, diesen Pinsel zu reinigen, während sie Eier aufschlägt. Wir gehen zum Lavabo, sehen aber keine Möglichkeit, diesen dick mit Farbe beschmutzten Pinsel so zu reinigen, dass er nachher zum Kochen hätte verwendet werden können. Brauchen sie wirklich einen Pinsel, sagen wir, nicht unbedingt, sagt sie, nein, es gehe auch mit einer Gabel oder einem Löffel. Dann nimmt sie Aufschnitt aus dem Kühlschrank, den sie, wie sie sagt, vor unserem Spitaleintritt gekauft habe. Das Datum sei abgelaufen, aber das Fleisch könne trotzdem verwendet werden. Das alles ist reichlich chaotisch, die Ärztin hat einen guten Ruf, lebt aber nur für ihre Arbeit und scheint kein Privatleben zu haben. Wir wissen nicht, warum wir jetzt bei ihr zu Hause sind. Hübsch ist sie nicht, für uns kommt eine Verbindung nicht in Frage. Was sie denkt, wissen wir nicht. Wir bedauern, dass wir mit ihr gegangen sind und möchten so schnell wie möglich weg, möchten den noch sehr weiten Weg zu unserer Wohnung unter die Füsse nehmen, wissen aber, dass es dort auch nicht besser aussieht als bei der Frau Doktor, auch wir haben ein Chaos, sind nicht in der Lage, den Anforderungen des Lebens zu genügen.
Montag, 12. Juli 2010
Wir sind Soldat in einer streng geführten, hervorragend organisierten deutschen Armee und desertieren. Trotz der Aussicht, bei einer Kontrolle sofort erschossen zu werden, bewegen wir uns frei in einer grossen Stadt, man wird auf uns aufmerksam, wir fliehen, unsystematisch und ohne Aussicht auf eine wirklich erfolgreiche Flucht, in einen Stadtpark und erblicken dort an einem kleinen Kanal eine grossbusige Dame, die sich neugierig nach uns umdreht und ihr Bikini zurechtrückt. Wir müssen aber weiter, rennen mit einigem Bedauern über die uns aufgezwungene Eile über einen kleinen, wackeligen Steg und gelangen auf eine grosse Wiese, an deren Ende mehrere mit Soldaten besetzte Jeeps auffahren. Wir haben keine Angst, denn wir können uns ja bei Bedarf unsichtbar machen. Zu diesem Mittel müssen wir nun greifen. Die Soldaten scheinen allerdings von unseren Fähigkeiten Kenntnis zu haben und versuchen, den unsichtbaren Körper einzukreisen und zu packen. Mit viel List und Geschicklichkeit gelingt es uns, uns zwischen andere Passanten zu drängen und so zu entwischen. Später bemerken wir aber, dass unser Schatten sichtbar ist, und dass dies auch unsere zackigen und kriegerischen Verfolger gesehen haben, sie scheinen aber aus einem unerklärlichen Grund das Interesse an uns verloren zu haben und haben sich von uns abgewandt.
Samstag, 10. Juli 2010
Ihm hatte kürzlich geträumt, er sei bei einer Prostituierten. Diese bot ihm ohne zu fragen eine ihn überraschende neue Dienstleistung an. Sie strich sich eine Handvoll weissliche, nach Spital riechende Salbe in den Mund, offenbar ein Antiseptikum, und begann ihn darauf zu küssen. Ihr Vorgehen war so selbstverständlich, dass er keinen Einspruch zu erheben wagte, ihre von der Salbe umflossene Zunge erregte ihn rasch, sie steckte sie tief in seinen Mund, und er begann, die schnellen Bewegungen dieser Zunge kraftvoll zu erwidern. Das muss so sein, dachte er, das muss genau so sein. Wir wollen diese Zungen in unserem Mund, und wenn sie voller Salbe sind, dann sind sie eben voller Salbe, wenn es aus medizinischen Gründen nicht anders geht. Diese so überaus diensteifrige Dame hatte ihm vorgängig auch ihren grossen schmalen langen Busen gegen den offenen Mund gehalten, wobei dieser Busen überraschenderweise ganz gut in den Mund passte, den Mund ausfüllte und sofort tief in die Kehle gedrungen war.
Dienstag, 6. Juli 2010
Und in einem anderen Traum bewegte ich mich in einer Stadt unter vielen Leuten, die an Mauern gedrängt auf den Strassen lagen oder in halboffenen, kaum gedeckten, ebenerdigen Kojen wohnten. Es gab in diesem Teil der Stadt keine Häuser, sondern nur Mauern und Plätze, es war nicht so ganz klar, wohin mein Weg führen sollte. Was klar war, war nur, dass dieser Weg durch Öffnungen führte, die in die Mauern gebrochen worden waren, manchmal auch durch Türen und durch Portale, die aus früheren besseren Zeiten übriggeblieben waren. Man erklärte mir, und dies war ein Freund¬schafts¬dienst, auf den nicht jeder Anspruch erheben konnte, dass ich aufpassen müsse, man wolle mich zusammenschlagen. Als ich eine blonde, kurzhaarige, nicht mehr ganz junge Frau antraf, die, wie ich wusste, der gleichen Organisation angehörte wie ich, bestätigte sie mir diese Drohungen, sie erklärte mir sehr bestimmt, dass es jetzt eben mit blossem Zynismus und verbaler Bosheit vorbei sei und neue Leute an der Spitze stehen würden, die sich nicht scheuen würden, Gewalt anzuwenden. Was diese Leute denn wollten, fragte ich. Leben, sagte sie, leben, diese Leute wollen doch nur leben, und ihr Gesicht verzog sich zu einem grossen, heftigen Grinsen, und sie eilte sehr geschäftig davon. Durch eines der Portale marschierte nun ein Trupp dieser neuen Ordnungshüter auf mich zu, es waren in schwarzes Leder gekleidete, mit Schlagstöcken und diversen anderen Waffen ausgerüstete Schlägertypen. Sie nahmen mich aber kaum wahr, sondern bogen vor mir ab. Ich sah, dass sie in ihrer Mitte einen der Ihren auf einem grossen Sessel mit sich trugen. Der Mann trug eine schwarze Uniform, war unförmig dick und bewegte sich nicht. Die Gruppe marschierte über den Platz und machte vor einem Mauerstück halt, das mit Bildern beklebt und mit vielen weissen Blumen geschmückt war. Man setzte den Sessel des Schlafenden oder vielleicht auch Toten ab und blieb längere Zeit regungslos und wie betend stehen. Ich wartete das Ende dieser Andacht nicht ab, sondern eilte weiter. Ob die Drohungen wohl ernst zu nehmen waren? Was hätte man mir zur Last legen können? Wenn man mich vor ein Gericht gestellt hätte, so schien es mir, hätte sich nichts als eine vollkommene Harmlosigkeit ergeben, nichts als eine vollkommene Unschuld. Aber Harmlosigkeit und Unschuld, das war mir klar, hätten die wilden Gewalten, die hier am Werk waren, natürlich nicht besänftigen können, im Gegenteil, sie würden sie erst recht reizen. Das Beste war demnach, nicht aufzufallen. Das Beste war, hier wie alle anderen weiter seinen Weg zu gehen, nicht zu rasch, nicht zu langsam. Und jeden Tag den gleichen Weg.
Samstag, 3. Juli 2010
Wir besuchen ein Fussballspiel, die Schweiz spielt in einem riesigen Stadion gegen Deutschland. Wir verlieren uns in den ungeheuren Massen der Besucher, kommen gar nicht bis zum Stadion, sondern werden in einem weitläufigen Gelände festgehalten. Viele haben keine Tickets, wir allerdings haben eines, es ist gültig für eine ganz besondere, sehr gute Kategorie von Sitzplätzen, es ist ein Platz auf einem Heuwagen. Man führt uns zu einem Anhänger, auf welchem sich quadratische Stohballen befinden, auf denen die Besucher Platz nehmen können. Wir setzen uns zuerst zuvorderst auf die unterste Sitzreihe, entschliessen uns aber, als immer mehr Leute auf den Wagen steigen, nach hinten auf eine höhere Sitzreihe zu klettern. Am Ende sitzen wir in grosser Höhe, vielleicht zehn Meter über der Erde, auf schwankenden Ballen und ohne Geländer, in grossem Gedränge. Links von uns hat sich eine kräftige Frau gesetzt, die gegen uns gepresst wird, was sich gut anfühlt. Wir versuchen, ihre Züge zu sehen, sie dreht sich um und sieht ganz rassig aus. Wie soll es nun weitergehen? Das Spielfeld ist nicht zu sehen, Menschen strömen weiterhin an uns vorbei. Jetzt werden wir offenbar zum Stadion gefahren, unser Heuwagen wird von einem Truck weggezogen. Das Gefährt zittert und wankt gefährlich, die Strohballen drohen auseinanderzufallen und mit allen Insassen in die Tiefe zu purzeln. Der Chauffeur fährt unvorsichtig und gibt zuviel Gas, der Anhänger in zwei Teile zerissen wird, einige Menschen fallen auf die harte Erde, ein Teil fährt mit dem Laster weiter, wir befinden uns auf dem hohen hinteren Teil des Wagens, der stehen geblieben ist. Die Ballen sind in Unordnung geraten und fallen jetzt mit allen Besuchern auseinander, wir stürzen auf den harten Erdboden, einige von uns verletzen sich, wir aber können aufstehen und wollen nun zu Fuss zum Spiel gehen. Das ist aber nicht möglich, es scheint, dass Unruhen im Gang sind. Aktivistinnen rennen über den Platz, verfolgt von Polizeikräften. Die Frauen sind nicht weiter gefährlich, sie werfen aber Knallfrösche in alle Richtungen und versuchen so, weitere Unruhe zu stiften. Hinter uns liegt eine Verletzte, sie hat grosse Schmerzen und schreit. Es ist nicht zu sehen, wo und wann es hier ein Fussballspiel geben sollte.
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