Mit der Familie und irgendwelchen Besuchern sitze ich an unserem langen
Tisch im grossen Wohnzimmer. Wir leben in einer sehr geräumigen Wohnung im
zweiten Stockwerk eines Altbaues. Ein riesiges Fenster gibt den Blick frei auf
eine Parklandschaft. Ich erwarte einen überraschenden Besuch. Vittoria, die ich
viele Jahre lang nicht mehr gesehen habe, hat sich gemeldet, um mit mir über
mein Buch zu reden. Ich bin einigermassen aufgeregt, denn Vittoria ist eine
sehr kluge und ungewöhnlich schöne Frau, die mich immer tief beeindruckt hat.
Ich bedeute den Anwesenden, dass ich Besuch bekomme und bitte sie, in ein
anderes Zimmer zu gehen. Auf dem Monitor der Gegensprechanlage sehe ich, dass
unten eine Besucherin eingetreten ist, eine seltsame, vierschrötige
Erscheinung, die in eine andere Wohnung geht. Kurz darauf erscheint Vittoria,
offensichtlich begleitet von weiteren Frauen. Ich melde mich und sage, dass sie
in den zweiten Stock kommen sollten, einen Lift hätten wir leider nicht. Ich
begrüsse Vittoria an der Wohnungstüre, sie lächelt ihr unergründliches Lächeln,
schweigt und stellt mir ihre die Begleiterinnen nicht vor. Eine sagt aber
immerhin «Martine», die andere «Ida». Man tut so, als ob man doch eigentlich
mit mir bekannt wäre. Ich kann mich aber nicht erinnern, dass ich Martine und
Ida je gesehen hätte. Sie sind, verglichen mit der göttlichen Vittoria,
vergleichsweise unscheinbare Frauen, aber wie Vittoria gross und kräftig.
Soviel Besuch, sage ich, ist sehr ehrenvoll. Am Tisch sitzt noch immer eine
neugierige und eigentlich jetzt ganz unerwünschte Nachbarin, die bei uns zu
Besuch war. Sie macht keine Anstalten, aufzubrechen, und da sie jetzt
meinetwegen auch bleiben kann, weil ein persönliches Gespräch ohnehin nicht in
Frage kommt, will ich sie vorstellen. Ihr Name kommt mir aber dummerweise nicht
gleich in den Sinn. Ich bin froh, dass sie mir aus der Verlegenheit hilft und
sagt, sie heisse Jacobsen, was aber gewiss nicht stimmen kann. Alle sitzen nun
erwartungsvoll am Tisch. Aber um was geht es denn, was erwartet man von mir?
Sollte ich vielleicht einen Kaffee anbieten? Oder meine Frau rufen und sie mit
den Besucherinnen bekannt machen? Ich bin ratlos und habe mir alles ganz anders
vorgestellt. Schöner. Ein Gespräch will nicht in Gang kommen, man stellt mir auch
keine Fragen.
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