Grosser
Traum. Akademische Versammlung, grosser Saal, alles bis auf den letzten Platz
gefüllt. Man behandelt einen aufsehenerregenden, schweren, unklaren Fall. Der
Fall bin ich. Dinge, die ich getan habe, sind aufgeflogen. Eine Frau Dr.
Lüscher, Privatdozentin, erläutert den Fall. Ihre Ausführungen sind sehr
sachlich und ohne jede Wertung. Es scheint, als ob gegen mich nichts vorliegt,
das man strafrechtlich verfolgen könnte. Was ich getan habe, ist sehr
ungewöhnlich, aber keine Verfehlung im strafrechtlichen Sinn. Nach der Sitzung
kommt aber ihr berühmter Kollege, ein Professor, auf mich zu und bittet mich,
mitzukommen. Ich wundere mich, warum er mich kennt. Hat er sich so genau mit
meinem Fall befasst? Er führt mich in einen Vorraum, wo ein Assistent auf einem
schneller Printer verschiedenste Dokumente ausdruckt. «Das ist für den
Sonntag», sagt der Professor, recht unfreundlich. Ich sehe, dass es amtliche
Verfügungen sind, Strafbefehle, Ermächtigungen zu Beschlagnamungen sowie Schuldanerkennungen.
Es scheint nun doch ein sehr gravierender Fall zu sein, jedenfalls nach der
Auffassung der Behörden, die den berühmten Professor mit der Verfolgung ihrer
Interessen beauftragt haben. Dass die Dokumente «für den Sonntag» sind, ist ein
schlechtes Zeichen. Man will offenbar schnell handeln und hat Verhandlungen auf
den nächsten Sonntag festgesetzt. Was soll ich unternehmen? Ich fühle mich
völlig unschuldig, sollte aber doch wohl sofort einen guten Anwalt nehmen. Zur
Last legen könnte man mir womöglich eine Falschaussage. Ich habe gesagt, dass
ich bei der Verarbeitung von Wörtern auf einem Papier, auf dem sich die Wörter
verschieben liessen, einen kleinen Kamm verwendet hätte, wobei ich in
Wirklichkeit neben dem Kamm auch ein Rasiermesser benutzt habe. Wird diese Angelegenheit
nun doch ein sehr böses Ende nehmen? Ich wache auf und kann mich lange nicht
erholen.
Sonntag, 15. November 2020
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