Montag, 12. August 2019


Wir, meine Gattin und ich, haben Karten für eine einzigartige, grosse Aida-Aufführung im berühmten alten Opernhaus, eine Sondervorstellung mit der besten Sängerin der Welt, mit Cecilia Bartoli. Die Vorstellung beginnt um halb acht Uhr. Wir planen ganz schlecht und kommen dummerweise erst um sieben Uhr nach Hause und sollten uns ja noch umziehen. Meine Gattin wird auf jeden Fall zuspät kommen. Ich aber will, so wie ich bin, im alten grünen T-Shirt, schon losfahren, mit dem Velo. So könnte ich in zehn Minuten zum Opernhaus gelangen. Da wir getrennte Plätze erhalten haben, spielt es keine Rolle, wenn wir nicht miteinander gehen. Im Treppenhaus allerdings fällt mir ein, dass ich ja einen sehr guten Platz habe und gewiss unter lauter festlich gekleideten Leuten sitzen werde. Mit dem alten T-Shirt würde ich sehr unangenehm auffallen. Also zurück, den Anzug anziehen! Das braucht aber seine Zeit, zumal ich noch eine Kravatte suchen muss. Meine schönen Kravatten liegen vernachlässigt in einem Knäuel auf dem Boden des Kleiderschrankes. Aber wo ist denn die kostbare Eintrittskarte? Auch sie muss gesucht werden und findet sich schliesslich unter den vielen Papieren, die ich in der dicken Brieftasche habe. Um halb acht geht es los, jetzt mit der Gattin, die sich inzwischen auch bereit gemacht hat. Um 19.45 sind wir im riesigen, golden und sibern erstrahlenden Foyer des Opernhauses. Noch stehen Leute herum. Hat die Vorstellung vielleicht noch nicht begonnen? Ich sehe, wie sich eine Türe zum Saal öffnet und noch Gäste Einlass finden. Sie schliesst sich aber wieder, und jetzt, wie es scheint, definitiv. Wir müssen nun wohl längere Zeit warten, bis sich wieder eine Gelegenheit zum Eintritt bieten wird, vielleicht erst in der grossen Pause. Wie dumm das ist. Und wie dumm wir den Opernfreunden um uns herum erscheinen werden, weil wir es nicht geschafft, rechtzeitig zu einer derart grossartigen Aufführung zu erscheinen. Erneut muss ich meine Eintrittskarte suchen, die ich in eine der Taschen des Anzugs gesteckt habe. Meine Gattin aber begrüsst entzückt eine ältere, ihr bekannte Dame vom Personal, die mit Champagner unterwegs ist, der dem VIP-Publikum gratis angeboten worden ist und nun auch für uns zur Verfügung steht. Eine weitere Dame erscheint,  nimmt die Jacke meiner Gattin entgegen und bringt sie zur Garderobe, ohne uns eine Marke abzugeben. Es scheint, dass für die heutige ausserordentliche Vorführung ein ganz exklusiver Garderobenservice geboten wird, bei dem jeder Gast darauf zählen kann, dass ihm nach dem Ende der Vorstellung alles Abgenommene wieder persönlich übergeben wird.  

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