Mittwoch, 26. September 2012

Ich besuche einen Anlass, einen dieser überflüssigen Anlässe, wo irgendwer möglichst viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer versammeln möchte und daher Krethi und Plethi einlädt. Auch mich hat man eingeladen, obwohl ich ja ein ganz unbedeutender Mensch bin, der jetzt froh sein muss, wenn er Gesellschaft findet und jemand mit ihm spricht. Es gibt aber glücklicherweise noch andere Gäste, die im gleichen Fall sind wie ich, unter anderem ein alt Nationalrat aus Basel. Von Ratsmitgliedern, die zurückgetreten sind, will bekanntlich niemand mehr etwas wissen, und schon gar nicht, wenn sein Rücktritt zwanzig Jahre zurückliegt und sich kein Mensch mehr an ihn erinnert und man nicht weiss, ob er noch alle Tassen im Schrank hat. Ich kenne ihn aber noch, und er kennt auch mich, wir duzen uns sogar. Georg, sage ich, wie geht es dir. Gut, gut, sagt er, in seiner bekannten zerstreuten Art. Wir wechseln einige Worte, trinken ein Glas Wein, vertilgen einige Häppchen, dann versiegt das Gespräch wieder. Warum ist er überhaupt Nationalrat geworden, das fragen wir uns, keiner kennt seine Vergangenheit. Er war Linker, Marxist, hielt sich lange in Osteuropa auf, wozu weiss oder wusste niemand. Er verabschiedet sich bald und verschwindet. Etwas später erfahre ich, dass er heute ungarischer Staatspräsident ist.

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