Es ist Winter und tiefe Nacht, und es herrscht eisige Kälte, gewiss zwanzig Grad unter Null, wir führen Kinder durch eine karge, verschneite Landschaft, sie sind in Lumpen gekleidet, sie hungern und frieren, wir werden es so nicht mehr lange aushalten, zumal wir verfolgt werden, von irgendwelchen kriegerischen Horden. Es ist das Schlimmste zu befürchten, als wir eine Unterkunft finden, ein verlassenes Schulhaus, bei dem die Tür zu einer Art Waschküche offen ist. Wir sind erleichtert, als wir am Boden dieses Raumes Pfützen bemerken, das bedeutet doch, dass es immerhin nicht mehr unter Null ist und wir uns vielleicht etwas erholen können. Noch erstaunter sind wir, als wir warmes Wasser finden, es gibt nämlich einen Wasserhahn, an dem ein kurzer Schlauch hängt. Wir drehen sofort auf und spritzen in der Not das warme Wasser über die halb erfrorenen Kinder, sie halten ihre steifen Glieder unter den Strahl, so wie sie sind, mitsamt den Kleidern, anders geht es nicht, denken wir, wenn wir sie retten wollen, und wenn wir hier wieder vertrieben werden sollten, finden wir ohnehin den sicheren Tod, ob die Kleider nun nass sind oder nicht. Die Spritzerei führt zu einem riesigen Geschrei, mit dem wir Nachbarn wecken, wir sehen, dass sich gleich nebenan ein weitläufiges Gebäude befindet, ein befestigter Palast in indischem Stil, wo es in einigen der kleinen Fenster plötzlich hell wird, sehr hell, und Diener auftauchen und uns stumm beobachten, feindselig, wie uns scheint. Und in der Ferne hören wir nun unsere Verfolger, wir sind gewiss entdeckt und können keine Hoffnung mehr auf Rettung haben, als man uns bedeutet, wir sollten doch in den Palast kommen. Man hat die Gefahr erkannt, in der wir waren und will uns nun retten, wir werden aufgenommen, in einen grossen Saal geführt, in dem sich weiche Polster befinden, auf denen wir uns niederlassen können, die Polster sind wie in einem Parlament in konzentrischen Kreisen um einen Mittelpunkt angeordnet. Die Hausherren sehen wir nicht, nur die geschäftigen Diener, die uns mit sorgenvollen Gesichtern betrachten und uns beruhigen, es kann uns nichts mehr geschehen, die Tore sind zu, und man wird niemals auf die Idee kommen, dass wir hier sind, hier wird uns niemand suchen, hier wagt niemand auch nur anzuklopfen, denn dieses Gebäude gehört einem mächtigen Maharadscha.
Donnerstag, 27. Oktober 2011
Sonntag, 23. Oktober 2011
Unser Ministerium erhält einen neuen, gnadenlos strengen Chef, der als erstes eine harte Evaluation der Fähigkeiten des Personals durchführt. Für die höheren Kader werden besondere Prüfungen vorgesehen. Der neue Chef führt mich an einen Ort irgendwo in der Nähe der Hauptstadt, streckt den Arm in einem bestimmten Winkel schräg gegen Hügel und Wälder aus und dreht sich so im Kreis. Ich habe die so bezeichnete Rundstrecke in der Nacht in einem Nachtorientierungslauf zurückzulegen und gleichzeitig auch auf einer Landeskarte zu dokumentieren, mit den zugehörigen Azimuten, sagt der neue Generalsekretär. Damit ist die einzige mir gestellte Aufgabe gegeben, als Gefährte wird mir der neue Chef der Post zugewiesen, der sich ebenfalls in einer Evaluation befinden soll.
Montag, 17. Oktober 2011
Wir besuchen ein Festival, ein Openair, sind um viele Stunden zu früh, reservieren daher gleich einen der grossen runden Tische vor der Bühne und haben somit etwa acht Plätze zu vergeben. Wir haben aber mit niemandem abgemacht und kennen niemanden. Später treffen wir aber unsere red hot mama an, voll beschäftigt mit einer Gruppe von jungen Männern. Wir fragen sie nach ihren Erlebnissen in London, wo sie Sprachkurse besuchen wollte. Sie reagiert ziemlich ungehalten, sie hatte ihre Pläne geändert und war gar nicht in London gewesen, sondern in New York, und hatte keinen Sprachkurs besucht, sondern Vorlesungen an der Uni, sie zeigt uns ein Zertifikat, viermal hat sie Vorlesungen besucht, jeweils am Samstag morgen. Und sie zieht weiter, an unseren Tisch will sie nicht kommen. Was machen wir nun mit diesen schönen Plätzen, die wir reserviert haben, mit einem Zettel und mit unserem Pullover.
Mittwoch, 12. Oktober 2011
Dann eine hohe Wand, eine Mauer, in die im oberen Teil auch Metallstäbe einbetoniert sind. Neben ihr steht, ohne Abstand, ein mehrstöckiges, begehbares schmales Baugerüst. Auf diesem Gerüst haben wir zu tun, mit einer Gruppe von Menschen. Wir steigen hinauf, bis auf die oberste Ebene, und sehen aus vielleicht zehn Metern Höhe in die Tiefe. Das Gerüst schwankt gefährlich. Man könnte es leicht stabilisieren, wenn man die obersten Stahlrohre des Gerüsts an den Stäben befestigen würde, die oben aus der Mauer ragen. Das aber, so erklärt man uns, sei überflüssig, das Gerüst sei absolut stabil, es könne nicht umfallen. Wir aber trauen der Sache nicht und ziehen es vor, wieder hinabzusteigen, etwas vom Gerüst wegzutreten und den weiteren Gang der Dinge aus sicherer Distanz zu verfolgen.
Sonntag, 9. Oktober 2011
Wir erben eine Firma, ganz unerwartet, durch einen Todesfall, und sollten nun die Geschäftsführung übernehmen. Wir werden durch die Räume geführt, verstehen dabei von allem rein gar nichts. Es ist ein mittelgrosser Handwerksbetrieb oder eine kleine Fabrik, es gibt einige Hallen voller kleiner Apparate, Eisenstangen, Drähten, Kabeln, es hat Gestelle, die bis zur Decke reichen, dazwischen eine Ecke mit vielen Ordnern voller Papiere, das sind die Geschäftsunterlagen, sagt man uns, sie sind alle in einer ziemlichen Unordnung. Wir kennen niemanden. Die Belegschaft, vielleicht hundert Leute, versammeln sich und wünschen zu hören, wie es weitergehen soll. Wir sollten jetzt gewiss eine Ansprache halten und überlegen blitzschnell, was wir sagen könnten. Es kommen uns sofort Sätze in den Sinn, aber ob sie brauchbar sind und beim Personal ankommen, das ist eine offene Frage. „Viele sehen mich jetzt zum ersten Mal“, so denken wir, könnten wir anfangen, „und viele werden sich jetzt fragen, was für ein Mensch ich bin.“ Wir sind nicht ohne Zuversicht, bleiben ganz ruhig, nehmen an, dass wir die Probleme überwinden werden.
Freitag, 7. Oktober 2011
Wir besuchen einen Informatik-Kurs. Es geht um Ton- und Bildaufnahmen, und es hat viele Teilnehmer. Die Veranstaltung findet in den Räumlichkeiten eines Stadions statt, in den Pausen sitzt man in einer riesigen Halle auf breiten Sofas, mit Blick auf ein Fussballfeld. Etwas bei den vorgeführten Programmen klappt nicht, einer der Kursleiter setzt sich zu uns und erklärt, dass wir dafür verantwortlich seien, wenn es nicht gehe, wir hätten das alles so gewollt. Wir verstehen gar nicht, worum es geht, und bitten den Herrn, uns alles auf einem Blatt aufzuzeichnen. Wir beginnen selber damit, zeichnen Kästchen, notieren die Namen von Programmen. Eines heisst Run-In, der Leiter muss es mir buchstabieren. Die Teilnehmer werden zunehmend skeptisch und stellen viele Fragen, wir haben von allem keine Ahnung.
Montag, 3. Oktober 2011
Wir haben an einem Sonntag für die lieben Dorfbewohner einen Apero organisiert, nur der Traum weiss warum. Er soll um 16 Uhr stattfinden, im Gemeinschaftszentrum, einem Holzbau am nahen Fluss. Die Gattin hat alles vorbereitet, das übliche, Wein, Orangensaft, Mineralwasser, Snacks, dies mit einigem Aufwand. Kurz vor 16 Uhr erhalten wir aber Besuch, alte Freunde, ein Paar, das wir seit langem nicht gesehen haben, trifft ein, unerwartet. Sie rufen uns an, stehen bei der Bushaltestelle, wir holen sie ab. Dort sehen wir Bekannte, die bereits auf dem Weg zum Apero sind. Wir sind auch schon dafür bereit, tragen Anzug und Kravatte, obwohl das für diesen Anlass ganz unangemessen ist, die Bekannten sind selbstverständlich in lockerer Freizeitkleidung. Wir fahren mit den Freunden zur Wohnung und wissen nicht so recht, was mit ihnen anfangen. Wollen sie auch mitkommen zum Apero? Es ergeben sich Komplikationen, wir verspäten uns. Als wir endlich aufbrechen, ist die kleine Strasse, die wir befahren wollen, wegen kürzlich erfolgten Regenfällen gesperrt, wir verfahren uns, stecken am Ende fest und müssen zu Fuss zur Wohnung zurück. Nun ist es schon 17.30 Uhr, unser Apero wird nun gewiss langsam zu Ende gehen, die Leute werden sich schon selber bedient haben, es stand ja alles bereit. Aber unverständlich und peinlich ist es natürlich, dass wir selber nicht erschienen sind. Wenn wir unsere Aktion richtig interpretieren, so wollten wir einen Beitrag leisten für den Zusammenhalt in unserer Gemeinde, und wohl auch, das allerdings ohne grosse Überzeugung, unsere kleine politische Karriere etwas befördern, auf die wir aber eigentlich nie grossen Wert gelegt haben.
Und wieder einmal ein Hinrichtungstraum. Wir sind, zusammen mit einer jungen Frau, zum Tode verurteilt. Wieso wir verurteilt wurden und warum zusammen mit dieser Frau, ist uns nicht klar. Vielleicht haben wir Erinnerungslücken, und die Frau war unsere Geliebte und Komplizin bei irgendeiner hochgefährlichen Aktion. Ob schuldig oder nicht, jetzt jedenfalls ist der Tag der Hinrichtung angebrochen, das Urteil soll bald vollzogen werden, und zwar für beide in einer Gaskammer. Ob das qualvoll sein wird, fragen wir, und erhalten die beruhigende Auskunft, dass das Gas völlig geruchlos sein werde und wir einfach einschlafen würden. Die Hinrichtung ist eine Art von kleiner Staatsaktion, mit Gästen und Beobachtern. Wohlmeinende Geister haben sogar ein Programm vorbereitet, mit einem Concerto Grosso von Corelli, ab Platte, das aber glücklicherweise nicht gespielt werden kann, weil die Musikanlage nicht in Betrieb gesetzt werden kann. Wir wollen keine Senimentalitäten. Im übrigen sind wir ganz gelassen und eigentlich froh, dass wir gehen können, denn in dieser etwas traurigen Welt hält uns nichts zurück. Sorgen haben wir einzig mit den USB-Sticks, auf denen unsere Aufzeichnungen speichert sind. Diese Sticks haben wir an verschiedenen Orten versteckt. Wenn sie gefunden werden, wird man sie sicher anderweitig verwenden und die unverständlichen Dateien löschen. Einen Stick tragen wir allerdings noch bei uns, er ist winzig und integriert in ein Taschenmesser, wo er wie eine Klinge herausgeklappt werden kann. Sollen wir ihn noch jemandem übergeben? Unter den Versammelten sind uns nur zwei Personen bekannt, mit denen wir aber keine engeren Beziehungen gehabt haben, frühere Arbeitskollegen, hochnäsige, distanzierte, eigenbrötlerische, unzugängliche Kollegen, mit denen wir seit Jahren keinen Kontakt mehr hatten und denen wir gewiss diesen Stick nicht geben können.
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