Donnerstag, 4. Juni 2009

Wir sind eingeladen, zu einer Feier, irgendein Fest, Sylvester vielleicht, oder erster Mai, bei alten Bekannten, von denen wir nie erwartet hätten, dass sie uns noch einladen würden, von Leuten, die wir seit zehn oder zwanzig Jahren nicht mehr gesehen haben. Wir kommen viel zu früh, schon um halb sieben Uhr, es ist noch gar niemand da, es ist auch nicht klar, ob überhaupt noch jemand kommen wird. Wer könnte denn da noch diesen alten Verein besuchen. Zunächst sind nur Kinder um uns, wir tollen mit ihnen herum, machen das Kalb, dazu sind wir noch gut, und aus einem Fenster des weitläufigen, alten Gebäudes, einer Art Bauernhaus, grüsst uns ein alter Knabe. Ja, ob wir uns denn nicht mehr erinnern würden, Paris, ja, Paris, irgendeine kleine harmlose Dummheit haben wir mit dieser auf eine verhältnismässig gemütliche Art verlotterten Figur gemacht, in Paris, vor fast vierzig Jahren, er erinnert sich noch immer daran, wir uns nicht mehr, ganz vage fällt uns etwas ein, dann erscheinen doch plötzlich Gäste, und der Empfang nimmt Formen an. Eine kleine, seltsam gekleidete, noch junge Frau präsentiert sich als russische Adelige, von sehr altem Adel, Künstlerin, Prophetin, wir stehen im Freien, auf einer Wiese in einem Obstgarten, Stühle stehen herum, Bänke, weitere Leute erscheinen, es wird auf einmal interessant, ganze Gruppen erscheinen nun, zwei Herren mit markanten Gesichtern, führende Architekten, sagt man mir, dann wieder rätselhafte Frauen, alle aus der Stadt, sagt man, und alle durchaus zugänglich, diese Abende seien bekannt dafür, dass man ganz zwanglos mit den grössten Berühmtheiten und den unzugänglichsten Dichtern und Denkern verkehren könne. Wir sollen uns nur zu ihnen setzen, sagt man uns, sie würden gerne mit uns reden, wie wenn sie alte Freunde wären, jeder, der hier erscheine, würde diese Spielregeln beachten. Wir entscheiden uns für zwei schlanke, blonde junge Herren mit ganz vergeistigten Gesichtern, hochbegabte Pianisten sagt man uns, ganz ausserordentliche Menschen. Wir setzen uns zu ihnen, in einem der hinteren Bereiche der Liegenschaft steht nämlich ein Flügel, auf dem sie nun eine ihrer Kompositionen darbieten wollen, nicht für die Gäste, sondern mehr nur für sie selber. Wir tun so, als ob wir sehr sachkundig wären und gebärden uns als Musikliebhaber, da findet uns unsere Gattin und setzt sich zu uns und will auch zuhören.

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