Eine
Opernaufführung steht bevor, ich habe schon Platz genommen, mehr als eine
Stunde vor Beginn der Vorstellung. Das Theater hat eine ganz absurde
Bestuhlung. Unten, im Parkett, stehen grosse Ledersessel in lockerer Anordnung,
wie in einer Lounge, manche von der Bühne abgewendet. Ich sitze bereits auf
meinen Platz in einer hohen senkrechten Wand, in welcher viele Sitzreihen
angebracht sind. Man sitzt so, ohne jede Abschrankung, ohne Haltegriffe, bis zu
zwanzig Meter über dem Parterre. Die Füsse baumeln im Leeren, die Absturzgefahr
ist gross. Es ist auch nicht zu sehen, wie man zu diesen Sitzen gelangt und
wieder von ihnen hinabsteigen kann. Vor mir sitzen bereits Leute, und ich kann
mich kaum bewegen. Sie gehen glücklicherweise nochmals weg und steigen wie Bergsteiger
die Wand hinunter. Wenn man beweglich ist und sich an den Sitzen festhält, geht
das ganz gut. Auch ich steige hinab, erleichtert und mit dem Vorsatz, mich um
einen anderen Platz zu bemühen oder die Vorstellung nicht zu besuchen. Direkt
unterhalb der Wand befinden sich weiter Sitzreihen mit bequemen Sesseln. Die
hier Sitzenden sind aber, so will mir scheinen, gefährdet durch mögliche
Abstürze von einem oder mehreren Zuschauern, die leicht den Halt verlieren
könnten. Ich möchte zurück in mein Hotel, treffe aber meine Gattin, die mit mir
essen gehen will. Es hat ein grosses, teures Restaurant, in welchem die Reichen
vor dem Opernvergnügen noch speisen, daneben aber auch ein einfacheres, das für
Leute mit kleinerem Budget Mahlzeiten anbietet. Damit man schnell essen kann,
stehen die Vorspeisen bereits auf den Tischen. Wir hätten gerne einen Tisch an
einer Seitenwand, dort ist jedoch alles besetzt. Eine Kellnerin weist uns
darauf hin, dass ein Paar wieder aufsteht und weggeht, ohne etwas konsumiert zu
haben. Auch die Vorspeise, irgendeine Mousse in einem Cocktailglas, steht noch
unberührt dort. Wir setzen uns an diesen Tisch.
Mittwoch, 27. Januar 2021
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen