Wir sind, wir wissen nicht wieso, auf einem verslumten
Gelände an einem verschmutzten Strand, gehen lange und komplizierte Wege,
irgendwo ist eine Konferenz im Gang, Diplomaten und Journalisten ziehen vorbei,
zu Fuss, wir sehen aber auch eine Staatskarosse, ein gepanzertes Luxusmodell,
mit grossen hellblauen Heckflügeln und weissen Reifen, blitzend und
aufgedonnert wie ein Cadillac aus den fünfziger Jahren. Darin soll Blocher
sitzen. wir gehen weiter unsere Wege und würden gerne in zivilisiertere
Gegenden gelangen, werden aber am Ende noch bedroht, werden in einen Schuppen
gedrängt und dort eingesperrt. Die Holztüre, die schlecht schliesst und leicht
aufgedrückt werden könnte, wird von einem boshaften und groben Schergen von
aussen mit einer Kette verschlossen. Wir sitzen fest, unter alten Schulbänken
und Schreibpulten, aus denen zwei junge Irre hervorkriechen, fast noch Kinder,
aber doch schon gross und kräftig, für uns jedenfalls eine Bedrohung. Sie
nähern sich uns, höchst interessiert, wie Tiere, der kleinere der beiden
Idioten beginnt, an unseren Augenbrauen zu zupfen und ist davon nicht mehr
abzubringen. Er sagt zum Grossen, wir seien „der Bruder der Hure“, und dieser
sagt, in seltsamem Ton, wir seien „etwas langweilig“. Es scheint, dass man
ihnen hie und da ein Opfer in ihren Schuppen sperrt, zu ihrem Zeitvertreib, und
es scheint, als ob dieser Zeitvertreib für uns nicht sehr angenehm werden
könnte. Wir müssen uns auf jeden Fall sehr vorsichtig verhalten und dürfen die
beiden nicht provozieren, lassen es daher zu, dass unsere Augenbrauen in
Mitleidenschaft gezogen werden.
Sonntag, 26. November 2017
Montag, 20. November 2017
Wir sind im Restaurant „Biebel“, das sich am Abend plötzlich in ein bekanntes Lokal verwandelt, in dem einsame Herzen professionell auf Partnersuche gehen können. Ein Animator diktiert den Ablauf und erfüllt seine Aufgabe ganz geschickt, es bleibt keine und keiner allein, und jede und jeder erhält viele Möglichkeiten, sein Glück zu finden. Wir werden zunächst an Einzeltische gesetzt, es gibt Damenwahl, und wir werden sofort geholt, unter dem Beifall der Teilehmenden eröffnen wir sogar den Tanz, mit einer leidlich jungen und leidlich hübschen Frau. Sogar das Tanzen geht, wir können tanzen, die Partnerin ganz gut führen, es schmeichelt uns, dass sie sich für uns interessiert hat. Sie duzt uns sogar. Wir fragen nach ihrem Namen. Nein, den Namen sage sie noch nicht, den Namen müssen wir offenbar erst verdienen, müssen sich näher für sie interessieren. Wie alt sie sei, fragen wir ganz ohne Scheu, es ist offenbar an einem solchen Abend keine dumme Frage. Vielleicht so alt wie du, sagt sie, und lächelt. Das schmeichelt uns wieder ganz ausserordentlich, denn sie ist gewiss etwas über dreissig, wir aber haben unser wirkliches Alter, neunundfünfzig. Wir denken, dass wir uns am späteren Abend wieder sehen könnten und vielleicht auch etwas zwischen uns passieren könnte, wenn sich bei ihr und bei mir nicht noch attraktivere und interessantere Begegnungen ergeben. Die Paare dürfen nicht zusammen bleiben, es gibt Betrieb, wir werden neuen Frauen zugelost, das gefällt uns, wir finden mit Leichtigkeit Kontakt. Es gibt allerlei Gesellschaftsspiele, bei welchen man sich kennenlernen kann. Einmal müssen wir eine Frau suchen, die denselben metallenen Anhänger trägt, den man uns verteilt hat. Wir finden eine ältere Dame, gewiss in unserem Alter, ziemlich aufgedonnert, mit mächtigem Busen und eng anliegendem Kleid, das kitschig silbrig glitzert. Sie erregt uns ein bisschen, sie ist uns interessant, wir machen nicht ungern diese Bekanntschaft, wer weiss, was da alles möglich ist.
Dienstag, 14. November 2017
Und
wieder sind wir in Amerika, machen mit der Familie Ferien in einer
Feriensiedlung an einem grossen See. Ich bin alleine und sehe von einem kleinen
Vorsprung aus, wie sich weit draussen im See eine rabenschwarze fast senkrechte
Wolkenwand bewegt. Einer der Angestellten ruft entsetzt, so etwas habe er noch
nie gesehen. Die schwarze Wand bewegt sich weiter, und an ihrem Fuss blitzt es
gewaltig. Es scheint dort Explosionen zu geben. Da die Lage für uns sehr
gefährlich werden kann, mache ich mich auf die Suche nach den Töchtern. Ich
steige daher wie fast wie ein Extrem-Bergsteiger die senkrechte Felswand
hinauf, oberhalb derer sich das Restaurant befindet. Die ältere der beiden
Töchter ist dort, sie erscheint oben an der Brüstung und ruft, dass sich ihre
Schwester im Sanitätsraum befinde. Das ist immerhin schon mal beruhigend, denn
so wissen wir wenigstens, wo sie ist. Aber warum ist sie denn im Sanitätsraum,
rufe ich und klettere wieder hinunter, denn dieser Raum befindet sich in einem
anderen Gebäude unterhalb des Restaurants. Sie sei dort, weil die Mutter sie
geschlagen habe. Was? Wie? Die Mutter? Ich könne mir das nicht vorstellen, rufe
ich. Doch, die Mutti habe sie geschlagen, sagt die Tochter. Also die alte
Mutti! Jetzt kann ich die Sache besser verstehen, die Mutti, das ist die
Grossmutter, die vielleicht für einmal die sonst immer grosse Geduld verloren
hat. Sie habe ihr einen Tritt versetzt, höre ich noch, es gehe der Kleinen aber
gut, sie sei nicht verletzt und müsse jetzt noch einige Stunden im Sanitätsraum
bleiben. Die Mutti bedaure alles sehr. Das beruhigt mich alles einigermassen, und
das gewaltige Unwetter, das auf uns zukommt, wird uns in den Häusern nichts
anhaben können.
Sonntag, 5. November 2017
Wir
reisen mit dem Auto durch die USA. Für den heutigen Tag erwarten wir eine
flache Landschaft, aber die Karte, die einen grossen Massstab aufweist, hat uns
getäuscht. Wir geraten in eine gebirgige Gegend, und vor uns tut sich ein
gewaltiges Panorama auf mit hohen, zackigen
Gebirgen, deren Gipfel schneebedeckt sind. Unser breiter Highway führt
kilometerlang immer nur abwärts. Er weist auf beiden Seiten von Zeit zu Zeit
kleine Parkplätze auf, die zum Bewundern der Aussicht einladen und zum
Photografieren. Auch wir würden gerne anhalten, sehen aber zu unserem
Schrecken, dass bei der hohen Geschwindigkeit, mit der wir unterwegs sind, die
Bremsen nicht funktionieren. Wir sausen daher weiter bergab, müssen aber sehr
aufpassen, denn es kommen uns Velofahrer entgegen. Einige von ihnen benützen
sogar, verführt von der Aussicht, unsere Fahrspur. Wir weichen ihnen geschickt
nach rechts und links aus, was uns glücklicherweise ohne Unfälle gelingt.
Weiter unten, in der Tiefe, ist der Talboden zu sehen, dort werden wir das Auto
gewiss wieder in unsere Gewalt bekommen.
Mittwoch, 1. November 2017
Heute
muss ich von 9 bis 12 Uhr meinen Matura-Aufsatz schreiben. Ich stehe vor dem
Schulhaus und erwarte das Aufsatz-Thema von der schönen, unnahbaren und
strengen Deutschlehrerin. Sie erscheint und nennt mir das Thema: Der
Scharnwald. Ich erschrecke und kann rein gar nichts mit diesem Titel anfangen.
Ich bitte daher um eine genauere Umschreibung. Die Lehrerin antwortet
ungeduldig und etwas böse, dass das Thema dann eben heisse: Der Scharnwald und
seine Bedeutung für die Katastrophen des Zweiten Weltkrieges. Ich versuche nun,
diesem Thema einen Sinn abzugewinnen und gehe davon aus, dass es um das Werk
von Ernst Jünger geht. In den Schulstunden war nie die Rede von ihm. Ist es
nicht perfid, mir ein solches Thema aufzugeben? Von Jünger habe ich aber
glücklicherweise viel gelesen, gewiss viel mehr, als die böse Lehrerin annimmt,
aber auch wieder viel vergessen. Es ist nicht zu sehen, wie ich in drei Stunden
etwas Befriedigendes hinkriegen kann. Zudem werde ich jetzt noch aufgehalten,
denn in einem Raum des Schulhauses findet eine Hinrichtung statt. Eine grössere
Zahl von Häftlingen steht da, einen Strick um Hals. Eine Vorrichtung zum Hängen
aber sehe ich nicht. Das Urteil aber wird nun irgendwie vollstreckt. Ich will
nicht zusehen und wende mich ab. Die Verurteilten sind guter Dinge und lachen
noch eine oder zwei Minuten. Dann wird es still. Ich wende mich um und sehe,
dass nun alle tot am Boden liegen. Jetzt ist es schon 9.45 Uhr, und in zwei
Stunden sollte ich meinen Aufsatz fertig haben. Ich erwache und beginne, den
Aufsatz zu konzipieren. Was könnte ich erwähnen, ganz besonders, um die strenge
Lehrerin zu beeindrucken? Zitate von Jünger fallen mir nicht gleich ein, obwohl
ich viele Exzerpte gemacht habe. Immerhin kommen mir Stichworte in den Sinn:
Wäldchen! Es gibt bei Jünger irgendwo ein Wäldchen mit einer Nummer, 121
vielleicht oder 128. Waldgang, Waldgänger! Desinvolture, Frontkämpfer, Anpfiff,
Saufrass, Handgranate. «Kommen wir noch ins Feuer, Herr Oberst?» «Sie kommen,
sie kommen.» Damit könnte ich die Hexe, die mich hereinlegen will, überlisten
und mit Härte und Männlichkeit beeindrucken. Ich könnte über die Ruhe schreiben,
die den Waldgänger umgibt und beschützt, während in weiter Ferne ein
unaufhörliches schreckliches Geschrei und Geheul zu hören ist. Ich schlafe
nämlich wieder ein und höre, dass irgendwo allergrösster Jammer herrscht,
Todesnot, Entsetzen, Zähneknirschen. Irgendwo ist eine ungeheure und
ungeheuerliche Vernichtung im Gang. Oder könnte ich nicht auch höchst Gewagtes
und Ungewöhnliches zum Frontkämpfer
sagen? Dass auch jeder Liebende ein Frontkämpfer ist, der bis an die Zähne
bewaffnet aus seinem Schützengraben springt und zum Sturm einer feindlichen
Stellung ansetzt?
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