Sonntag, 26. November 2017


Wir sind, wir wissen nicht wieso, auf einem verslumten Gelände an einem verschmutzten Strand, gehen lange und komplizierte Wege, irgendwo ist eine Konferenz im Gang, Diplomaten und Journalisten ziehen vorbei, zu Fuss, wir sehen aber auch eine Staatskarosse, ein gepanzertes Luxusmodell, mit grossen hellblauen Heckflügeln und weissen Reifen, blitzend und aufgedonnert wie ein Cadillac aus den fünfziger Jahren. Darin soll Blocher sitzen. wir gehen weiter unsere Wege und würden gerne in zivilisiertere Gegenden gelangen, werden aber am Ende noch bedroht, werden in einen Schuppen gedrängt und dort eingesperrt. Die Holztüre, die schlecht schliesst und leicht aufgedrückt werden könnte, wird von einem boshaften und groben Schergen von aussen mit einer Kette verschlossen. Wir sitzen fest, unter alten Schulbänken und Schreibpulten, aus denen zwei junge Irre hervorkriechen, fast noch Kinder, aber doch schon gross und kräftig, für uns jedenfalls eine Bedrohung. Sie nähern sich uns, höchst interessiert, wie Tiere, der kleinere der beiden Idioten beginnt, an unseren Augenbrauen zu zupfen und ist davon nicht mehr abzubringen. Er sagt zum Grossen, wir seien „der Bruder der Hure“, und dieser sagt, in seltsamem Ton, wir seien „etwas langweilig“. Es scheint, dass man ihnen hie und da ein Opfer in ihren Schuppen sperrt, zu ihrem Zeitvertreib, und es scheint, als ob dieser Zeitvertreib für uns nicht sehr angenehm werden könnte. Wir müssen uns auf jeden Fall sehr vorsichtig verhalten und dürfen die beiden nicht provozieren, lassen es daher zu, dass unsere Augenbrauen in Mitleidenschaft gezogen werden.

Montag, 20. November 2017

Wir sind im Restaurant „Biebel“, das sich am Abend plötzlich in ein bekanntes Lokal verwandelt, in dem einsame Herzen professionell auf Partnersuche gehen können. Ein Animator diktiert den Ablauf und erfüllt seine Aufgabe ganz geschickt, es bleibt keine und keiner allein, und jede und jeder erhält viele Möglichkeiten, sein Glück zu finden. Wir werden zunächst an Einzeltische gesetzt, es gibt Damenwahl, und wir werden sofort geholt, unter dem Beifall der Teilehmenden eröffnen wir sogar den Tanz, mit einer leidlich jungen und leidlich hübschen Frau. Sogar das Tanzen geht, wir können tanzen, die Partnerin ganz gut führen, es schmeichelt uns, dass sie sich für uns interessiert hat. Sie duzt uns sogar. Wir fragen nach ihrem Namen. Nein, den Namen sage sie noch nicht, den Namen müssen wir offenbar erst verdienen, müssen sich näher für sie interessieren. Wie alt sie sei, fragen wir ganz ohne Scheu, es ist offenbar an einem solchen Abend keine dumme Frage. Vielleicht so alt wie du, sagt sie, und lächelt. Das schmeichelt uns wieder ganz ausserordentlich, denn sie ist gewiss etwas über dreissig, wir aber haben unser wirkliches Alter, neunundfünfzig. Wir denken, dass wir uns am späteren Abend wieder sehen könnten und vielleicht auch etwas zwischen uns passieren könnte, wenn sich bei ihr und bei mir nicht noch attraktivere und interessantere Begegnungen ergeben. Die Paare dürfen nicht zusammen bleiben, es gibt Betrieb, wir werden neuen Frauen zugelost, das gefällt uns, wir finden mit Leichtigkeit Kontakt. Es gibt allerlei Gesellschaftsspiele, bei welchen man sich kennenlernen kann. Einmal müssen wir eine Frau suchen, die denselben metallenen Anhänger trägt, den man uns verteilt hat. Wir finden eine ältere Dame, gewiss in unserem Alter, ziemlich aufgedonnert, mit mächtigem Busen und eng anliegendem Kleid, das kitschig silbrig glitzert. Sie erregt uns ein bisschen, sie ist uns interessant, wir machen nicht ungern diese Bekanntschaft, wer weiss, was da alles möglich ist.

Dienstag, 14. November 2017


Und wieder sind wir in Amerika, machen mit der Familie Ferien in einer Feriensiedlung an einem grossen See. Ich bin alleine und sehe von einem kleinen Vorsprung aus, wie sich weit draussen im See eine rabenschwarze fast senkrechte Wolkenwand bewegt. Einer der Angestellten ruft entsetzt, so etwas habe er noch nie gesehen. Die schwarze Wand bewegt sich weiter, und an ihrem Fuss blitzt es gewaltig. Es scheint dort Explosionen zu geben. Da die Lage für uns sehr gefährlich werden kann, mache ich mich auf die Suche nach den Töchtern. Ich steige daher wie fast wie ein Extrem-Bergsteiger die senkrechte Felswand hinauf, oberhalb derer sich das Restaurant befindet. Die ältere der beiden Töchter ist dort, sie erscheint oben an der Brüstung und ruft, dass sich ihre Schwester im Sanitätsraum befinde. Das ist immerhin schon mal beruhigend, denn so wissen wir wenigstens, wo sie ist. Aber warum ist sie denn im Sanitätsraum, rufe ich und klettere wieder hinunter, denn dieser Raum befindet sich in einem anderen Gebäude unterhalb des Restaurants. Sie sei dort, weil die Mutter sie geschlagen habe. Was? Wie? Die Mutter? Ich könne mir das nicht vorstellen, rufe ich. Doch, die Mutti habe sie geschlagen, sagt die Tochter. Also die alte Mutti! Jetzt kann ich die Sache besser verstehen, die Mutti, das ist die Grossmutter, die vielleicht für einmal die sonst immer grosse Geduld verloren hat. Sie habe ihr einen Tritt versetzt, höre ich noch, es gehe der Kleinen aber gut, sie sei nicht verletzt und müsse jetzt noch einige Stunden im Sanitätsraum bleiben. Die Mutti bedaure alles sehr. Das beruhigt mich alles einigermassen, und das gewaltige Unwetter, das auf uns zukommt, wird uns in den Häusern nichts anhaben können. 

Sonntag, 5. November 2017


Wir reisen mit dem Auto durch die USA. Für den heutigen Tag erwarten wir eine flache Landschaft, aber die Karte, die einen grossen Massstab aufweist, hat uns getäuscht. Wir geraten in eine gebirgige Gegend, und vor uns tut sich ein gewaltiges Panorama auf mit hohen,  zackigen Gebirgen, deren Gipfel schneebedeckt sind. Unser breiter Highway führt kilometerlang immer nur abwärts. Er weist auf beiden Seiten von Zeit zu Zeit kleine Parkplätze auf, die zum Bewundern der Aussicht einladen und zum Photografieren. Auch wir würden gerne anhalten, sehen aber zu unserem Schrecken, dass bei der hohen Geschwindigkeit, mit der wir unterwegs sind, die Bremsen nicht funktionieren. Wir sausen daher weiter bergab, müssen aber sehr aufpassen, denn es kommen uns Velofahrer entgegen. Einige von ihnen benützen sogar, verführt von der Aussicht, unsere Fahrspur. Wir weichen ihnen geschickt nach rechts und links aus, was uns glücklicherweise ohne Unfälle gelingt. Weiter unten, in der Tiefe, ist der Talboden zu sehen, dort werden wir das Auto gewiss wieder in unsere Gewalt bekommen.

Mittwoch, 1. November 2017


Heute muss ich von 9 bis 12 Uhr meinen Matura-Aufsatz schreiben. Ich stehe vor dem Schulhaus und erwarte das Aufsatz-Thema von der schönen, unnahbaren und strengen Deutschlehrerin. Sie erscheint und nennt mir das Thema: Der Scharnwald. Ich erschrecke und kann rein gar nichts mit diesem Titel anfangen. Ich bitte daher um eine genauere Umschreibung. Die Lehrerin antwortet ungeduldig und etwas böse, dass das Thema dann eben heisse: Der Scharnwald und seine Bedeutung für die Katastrophen des Zweiten Weltkrieges. Ich versuche nun, diesem Thema einen Sinn abzugewinnen und gehe davon aus, dass es um das Werk von Ernst Jünger geht. In den Schulstunden war nie die Rede von ihm. Ist es nicht perfid, mir ein solches Thema aufzugeben? Von Jünger habe ich aber glücklicherweise viel gelesen, gewiss viel mehr, als die böse Lehrerin annimmt, aber auch wieder viel vergessen. Es ist nicht zu sehen, wie ich in drei Stunden etwas Befriedigendes hinkriegen kann. Zudem werde ich jetzt noch aufgehalten, denn in einem Raum des Schulhauses findet eine Hinrichtung statt. Eine grössere Zahl von Häftlingen steht da, einen Strick um Hals. Eine Vorrichtung zum Hängen aber sehe ich nicht. Das Urteil aber wird nun irgendwie vollstreckt. Ich will nicht zusehen und wende mich ab. Die Verurteilten sind guter Dinge und lachen noch eine oder zwei Minuten. Dann wird es still. Ich wende mich um und sehe, dass nun alle tot am Boden liegen. Jetzt ist es schon 9.45 Uhr, und in zwei Stunden sollte ich meinen Aufsatz fertig haben. Ich erwache und beginne, den Aufsatz zu konzipieren. Was könnte ich erwähnen, ganz besonders, um die strenge Lehrerin zu beeindrucken? Zitate von Jünger fallen mir nicht gleich ein, obwohl ich viele Exzerpte gemacht habe. Immerhin kommen mir Stichworte in den Sinn: Wäldchen! Es gibt bei Jünger irgendwo ein Wäldchen mit einer Nummer, 121 vielleicht oder 128. Waldgang, Waldgänger! Desinvolture, Frontkämpfer, Anpfiff, Saufrass, Handgranate. «Kommen wir noch ins Feuer, Herr Oberst?» «Sie kommen, sie kommen.» Damit könnte ich die Hexe, die mich hereinlegen will, überlisten und mit Härte und Männlichkeit beeindrucken. Ich könnte über die Ruhe schreiben, die den Waldgänger umgibt und beschützt, während in weiter Ferne ein unaufhörliches schreckliches Geschrei und Geheul zu hören ist. Ich schlafe nämlich wieder ein und höre, dass irgendwo allergrösster Jammer herrscht, Todesnot, Entsetzen, Zähneknirschen. Irgendwo ist eine ungeheure und ungeheuerliche Vernichtung im Gang. Oder könnte ich nicht auch höchst Gewagtes und Ungewöhnliches  zum Frontkämpfer sagen? Dass auch jeder Liebende ein Frontkämpfer ist, der bis an die Zähne bewaffnet aus seinem Schützengraben springt und zum Sturm einer feindlichen Stellung ansetzt?