Montag, 2. Januar 2012

Wir treffen nach vielen Jahren eine alte Bekannte, eine lustige, zutrauliche, grosse Frau, sie erzählt uns lachend von ihrem Leben, wir stellen Fragen, sind sofort sehr vertraut. Unsere Gesichter nähern sich, es ergibt sich wie zufällig ein Kuss, was uns in keiner Weise erstaunt, sondern in die allerbeste Stimmung versetzt. Es erfolgt sogleich noch ein zweiter und ein dritter Kuss. Wir verständigen uns, wollen die alte, nie eingestandene Liebe nun endlich leben, jetzt ist die Zeit dafür gekommen. Wir haben zwar beide eigentlich andere Affären, die jetzt aufgegeben werden müssen, was nicht ganz einfach ist, aber vollzogen werden wird. Wir befinden uns in einer undefinierbaren Gruppe, es ist eine grosse Einladung oder Versammlung, wir wollen uns von ihr lösen, wollen wegschleichen, suchen einen Raum, in dem wir allein sein können. Wir geraten auf einen Balkon, steigen ungeschickterweise auf einen Mauervorsprung, ein schmales Band, das sich im zweiten Stockwerk, gut sechs Meter über dem Boden dahinzieht. Wir würden gerne in die Tiefe springen, es würde vielleicht ohne Verletzungen möglich sein, beflügelt von der grossartigen neuen Liebe. Wir wagen es aber am Ende doch nicht und unternehmen eine gefährliche Rückkehr, wir können uns nicht drehen, sondern müssen auf dem schmalen Vorsprung rückwärts gehen und uns den Weg ertasten.

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