Mittwoch, 18. Januar 2012

Wir jagen Krokodile. Es handelt sich um kleine Tiere, die wir ziemlich problemlos aufspiessen können, weil wir schnell sind und geschickt. Unsere Begleiter hingegen müssen aufpassen, dass sie nicht verletzt werden, denn die Reptile sind doch nicht ganz ungefährlich. Dann aber erscheint ein gewaltiges Krokodil, ein Drache, dem wir alle nichts entgegensetzen können. Wir würden sterben, wenn das Untier nicht plötzlich durch einen gut gezielten Schuss getötet würde. Wir sehen den Schützen nicht und werden ihn auch nicht sehen, es ist aber, dem unverwechselbaren Klang der Flinte nach, Nathaniel Bumppo, der Waldläufer, dessen berühmte Flinte killdeer gesprochen hat.

Donnerstag, 12. Januar 2012

Eine Veranstaltung, ein Fest in einer grossen Scheune eines Bauernhofes, viele Menschen sitzen auf Bänken und warten auf das Urteil der Jury. Es gab irgendeinen Wettbewerb, Volksmusik oder sowas, wir waren nicht dabei, sind aber jetzt doch auch unter den Zuschauern. Wir liegen sogar, auf einer Liegestelle im hinteren Teil der Halle, wo es Soldatenunterkünfte gibt und sich auch viele Soldaten aufhalten. Neben uns liegen mehrere Soldaten, die offenbar krank sind und von einem Arzt besucht werden. Der Arzt stellt sich neben uns, bereitet eine Spitze vor, prüft kritisch die sehr lange Nadel, und setzt sie dann an, auf unserem Oberschenkel, dies in der Meinung, dass wir auch ein Patient sind. Wir protestieren zu spät, die Nadel sitzt schon, es wird mir eine Spritze verpasst, die Nadel geht nicht tief, sondern bleibt nur unter der Haut, subkutan, und hinterlässt eine etwa zehn Zentimeter lange Spur. Der Arzt entschuldigt sich nur wenig, es ist ihm egal, wer die Spritzen erhält, es handelt sich, wie er erklärt, um einen harmlosen medizinischen Versuch. Wir würden nun beobachtet und hätten das Resultat periodisch zu zeigen. So harmlos sieht die Sache aber auch wieder nicht aus, denn der Oberschenkel verfärbt sich und es entsteht eine grössere Wunde, die nun mit Verbandsmaterial versorgt wird. Wir äussern uns nicht weiter, nehmen das Missgeschick klaglos hin.

Dienstag, 10. Januar 2012

Es klopft. Die Türe geht auf, und jemand tritt in unser Büro. Der Besucher ist unsichtbar, wir erkennen ihn nur an seiner Stimme: es ist G., ein alter Bekannter und Freund. Wir begrüssen ihn, strecken ihm die Hand entgegen, die er ergreift und schüttelt. Wir sagen ihm, er solle sich setzen. Es ist uns klar, dass G. in irgendeinen dummen Zauber hineingeraten ist, der gewiss bald wieder unwirksam werden wird. Wir können ihm auf jeden Fall nicht helfen, sprechen ihn auch gar nicht auf dieses Missgeschick an, von dem er selber wohl schon weiss, sondern fragen ihn, warum er uns aufgesucht hat und beginnen das Gespräch.


Montag, 2. Januar 2012

Wir sind in Lybien, etwas Dienstliches, ziemlich unnötig, und werden in den Bürgerkriegswirren, in dem gegen alle Erwartung Ghadhafi die Oberhand gewonnen hat, verhaftet. Wir sind natürlich völlig unschuldig, können aber jetzt im besten Fall als Geisel benutzt werden, vielleicht aber auch nur als Racheobjekt, an dem die Wut der Familie Ghadhafi auf unser Land ausgelassen werden kann. Drei Luxuslimousinen halten neben uns, eine Gruppe von Geheimdienstleuten steigt aus und erklärt uns, wir seien verhaftet. Es sind unheimlich ruhige, fast gemütliche Geheimdienstler, ältere Damen und Herren, die uns umringen und wegführen. Der Weg führt durch die Stadt, über weite Plätze, vorbei an vielen Passanten. Man hat uns nicht gefesselt, sondern lässt uns frei gehen, wir fallen nicht weiter auf. Was machen sie, fragen wir, wenn wir jetzt wegrennen. Dann schiessen wir, sagte eine dicke Dame grausam lächelnd, wir können sehr gut schiessen, wollen Sie das sehen, wir zeigen es Ihnen, setzen Sie sich doch nur mal hier hin. Da wir vermuten, dass sie ihre Schiesskünste direkt mit uns demonstrieren wollen, lehnen wir dankend ab. Einer der Männer nähert sich uns, mit grimmigem Gesicht, er ballt die Fäuste und fingiert Schläge gegen unseren Kopf. So wird es Ihnen bald ergehen, sagt er, da können Sie sicher sein. Dann wird eine blutig geschlagene Persönlichkeit in Uniform über einen Platz geführt, es ist ein Staatschef, Idi Amin, sagt man uns, dies ist Idi Amin. Wir sind einigermassen erstaunt, denn nach unserem Wissen ist Idi Amin doch schon lange tot, aber vielleicht hat er ja noch in Lybien gelebt. Jetzt ist er aber zum Tode verurteilt und wird zur Hinrichtung geführt, die auf einem offenen Platz vor einem Schlachthaus stattfindet, auf welchem auf grossen Haufen blutige tierische Abfälle liegen. Das Urteil wird durch das Volk vollzogen. Jugendliche springen über eine Abschrankung, spontane Volksjustiz, so scheint es wenigstens. Sie erhalten Säbel und Fleischermesser und hauen Idi Amin in Stücke. Dann geht es vorbei an einer riesigen Menschenmenge, die vor einer Kirche versammelt ist, dann durchschreiten wir ein grosses uraltes Holzgebäude, es ist dunkel, aber wir erkennen doch unzählige kleine Boxen, in denen sich etwas bewegt. Ist es schon das Gefängnis? Nein, es sind Stallungen, in den Boxen sind  Schweine eingesperrt, die sich kaum bewegen können. Dann kommen wir an einem Kloster vorbei, es gibt hier tatsächlich ein christliches Kloster. Vor der Pforte steht die Oberin, eine Österreicherin, die sich mit den versammelten Gläubigen auf deutsch unterhält. Wie kann das sein, dass man sie nicht verfolgt, denken wir. Ist sie vielleicht irgendwie mit dem Regime verbunden? Wir bleiben stehen, man lässt uns einen Augenblick unbeobachtet, es gelingt uns, der Klosterfrau eine Mitteilung zu machen. Rufen Sie in Bern an, sagen wir blitzschnell, sagen Sie, Sie hätten uns hier gesehen, wir seien abgeführt worden. Und wir sagen ihr unseren Namen, den sie aber nicht recht zu verstehen scheint. Jetzt kommen unsere Bewacher zurück. Was bleiben Sie hier stehen, fragt man uns. Wir wollen doch, sagen wir, noch ein bisschen etwas sehen, bevor es dunkel wird. Man lächelt freundlich. Ja, da haben Sie recht, es wird sehr bald sehr dunkel werden. Und wir kommen zu einem Fleischmarkt. Fast alles ist schon verkauft worden, in den Blutlachen liegt nur noch eine dicke grosse Krake. Sie lebt noch, kann sich aber nicht mehr bewegen, weil man ihr die Fangarme abgehauen hat. Auch sie wartet darauf, dass sie in Stücke gehauen wird. Wer aber mag denn diese weissliche Masse essen? Und was werden wir wohl zu essen bekommen, in den Folterkellern. Uns erwartet ein schreckliches, unberechenbares Schicksal, wir stellen uns vor, dass Ghadhafi selber oder zumindest einer seiner Söhne erscheinen wird, um sich an unseren Qualen zu ergötzen.
Wir treffen nach vielen Jahren eine alte Bekannte, eine lustige, zutrauliche, grosse Frau, sie erzählt uns lachend von ihrem Leben, wir stellen Fragen, sind sofort sehr vertraut. Unsere Gesichter nähern sich, es ergibt sich wie zufällig ein Kuss, was uns in keiner Weise erstaunt, sondern in die allerbeste Stimmung versetzt. Es erfolgt sogleich noch ein zweiter und ein dritter Kuss. Wir verständigen uns, wollen die alte, nie eingestandene Liebe nun endlich leben, jetzt ist die Zeit dafür gekommen. Wir haben zwar beide eigentlich andere Affären, die jetzt aufgegeben werden müssen, was nicht ganz einfach ist, aber vollzogen werden wird. Wir befinden uns in einer undefinierbaren Gruppe, es ist eine grosse Einladung oder Versammlung, wir wollen uns von ihr lösen, wollen wegschleichen, suchen einen Raum, in dem wir allein sein können. Wir geraten auf einen Balkon, steigen ungeschickterweise auf einen Mauervorsprung, ein schmales Band, das sich im zweiten Stockwerk, gut sechs Meter über dem Boden dahinzieht. Wir würden gerne in die Tiefe springen, es würde vielleicht ohne Verletzungen möglich sein, beflügelt von der grossartigen neuen Liebe. Wir wagen es aber am Ende doch nicht und unternehmen eine gefährliche Rückkehr, wir können uns nicht drehen, sondern müssen auf dem schmalen Vorsprung rückwärts gehen und uns den Weg ertasten.