Sonntag, 8. Mai 2011

Wir sind allein in einer fremden Stadt, müssen in einem grossen schäbigen Hotel übernachten. Die Bauweise ist locker, das Gebäude wird einem Erdbeben niemals standhalten können. Man weist uns ein Zimmer oder besser einen Balkon zu, etwa im zehnten Stockwerk, mit weiter Aussicht auf eine Wüstenei aus Bauplätzen, Häusern, Strassen. Wo wir sind und warum wir da sind, wissen wir nicht. Unsere Sorge gilt dem Schlafplatz, wir würden gerne einigermassen sicher und ruhig schlafen, es gibt aber keine richtigen Türen, nur Verschläge aus Holz, die man zuziehen kann. Man hat uns einen Balkon zugewiesen, der zu einem Zimmer gehört, aber abschliessbar ist und separat vermietet wird. Im Zimmer ist zurzeit niemand, wir schliessen uns trotzdem vorsichtshalber mit viel Mühe aus, es gelingt uns, einen kleinen Riegel vorzuschieben. Gegen einen Eindringling wird das nichts nützen, aber von den Leuten, die im Zimmer übernachten, werden wir so doch wohl nicht belästigt werden. Wir haben im übrigen keine Toilette, wohl aber, und das stellen wir mit grosser Erleichterung fest, ein kleines Lavabo, das funktioniert und in das wir pissen können, so dass wir über die Nacht das Zimmer nicht verlassen müssen. Von unten dröhnt es gewaltig, und der Balkon bewegt sich leicht. Wir wissen nicht, wie dieser Lärm zustande kommt, vielleicht sind es sehr wilde, tobende asiatische Hotelgäste. Wir sind, so scheint es, irgendwo in einer furchtbar verschmutzten, gottverlassenen chinesischen Millionenstadt.

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