Donnerstag, 25. Juni 2009

Wie Proust, denken wir, stehen wir da und verehren die exklusivsten Menschen, die es gibt. Der Prince of Wales sitzt mit seiner Familie vor dem Fernseher, mit der Königin und seinen zwei Kindern. Wir bilden seine Gesellschaft, sind auserwählt für diesen Abend. Wir dürfen uns einige Meter hinter ihnen an der Wand aufstellen und still zusehen. Wie Proust, denken wir, Proust würde dieses stumme Dastehen als äussserstes Glück beschreiben, als höchsten Aufstieg. Aber unser Glück wird getrübt, mein Vater und meine Mutter sind nämlich auch noch da, man weiss nicht wie, sie sitzen sogar, auf einem Sofa hinter der Königsfamilie, ebenfalls ganz still, wenigstens zunächst ganz still. Jetzt hat mein Vater zu meinem Entsetzen ein Zigarettli angezündet und zu rauchen begonnen, verrückterweise, und die schlechten Zigaretten, die er stets raucht, verursachen grosse Wolken von beissendem Rauch, die nun langsam gegen die ahnungslos dasitzenden königlichen Herrschaften ziehen, es ist entsetzlich, es ist ganz unerhört und unerträglich.

Montag, 22. Juni 2009

Wir besuchen mit einer hochrangigen Schweizer Delegation China, während eines Empfangs im Kaiserpalast kommt Mao Tse Tung zu uns, let’s go to bed, sagt er, und da alles, was er sagt, heiliges Gesetz ist, dem niemand widersprechen kann, auch eine Schweizer Delegation nicht, auch wenn sie das, was geschieht, in keiner Weise versteht und billigt, gehen wir mit, er führt uns in einen angrenzenden Saal, der ein riesiges Bett enthält, ein Staatsbett, ein Herrschaftsbett, und legt sich mit uns hin, ein dickes grosses rätselhaftes Wesen, halb Frau, oder ganz Frau, wie wir bald merken. Er beginnt unser Glied zu reiben, das natürlich unter diesen Umständen in keiner Weise erregt werden kann. Wir haben Angst, wir denken, dass es uns unmöglich sein wird, mit ihm Verkehr zu haben, denn das ist es doch wohl, was er will. Wir versuchen, uns zu behelfen, indem wir ihm auch zwischen die Beine greifen, es ist dort alles flach, er ist eine Frau, wir berühren seine grossen Unterhosen und reiben ihn, worauf er sich sofort sehr erregt und einen mächtigen Orgasmus bekommt. Er schreit laut, so laut, dass es die im Empfangssaal versammelten Gäste alle hören müssen. Wir verstehen unsere Tat nicht, wissen nicht, ob sie nun gut oder schlecht war, es deutet einiges darauf hin, dass sie sehr gut war, von einer ausserordentlichen Bedeutung, es scheint, dass Mao befriedigt ist und zu seinen Gästen zurückkehren will. Er beordert aber auch eine vielköpfige Musikkapelle an die Türe des Saales und lässt sie dort sehr laut und aufdringlich spielen, vielleicht wird es noch weitere Laute geben, die nun aber übertont werden sollen, weil das Ganze möglicherweise doch etwas unschicklich sein könnte.

Samstag, 13. Juni 2009

Wir leben an einem weiten flachen Strand, in einem grösseren Gebäude, das aus Hallen und Hütten mit offenen Seitenwänden besteht, vieles ist aus Holz, alles sehr ökologisch, es gibt keine Böden, sondern nur Gras und Sand. Es herrscht eine grosse Unordung, überall liegen Kleider herum, wir sollten, für irgendeinen Aufbruch, schon lange gepackt haben, es ist schon fast Mitternacht, und der letzte Bus, der die Küste bedient, schon abgefahren. Wir erreichen unser Ziel nicht mehr, zumal wir nun auch noch der Frau N. zu Hilfe kommen müssen, Frau N. von der Cafeteria in unserem Dienstgebäude, sie führt auch hier eine Strandbar, die sie nun vor einem Sturm schützen will. Bei Sturmwarnung wird ein mannshoher Zaun zugezogen, eine über hundert Meter lange Wand aus Glas oder Plastic, wir schliessen diese Wand, die nun verhindert, dass Wasser und Sand in die Siedlung eindringen. Weiter helfen wir auch mit, die vielen Stühle zusammenzutragen, die über den ganzen Strand verteilt sind, an eine Abreise ist nicht mehr zu denken. Als wir zum Haus zurückkehren, finden wir überall Schnecken, rote Nacktschnecken. Meine Mutter ist da und sammelt sie in einem Eimer, steht aber beim Einsammeln auf einzelne Tiere, etwas, das wir gar nicht ausstehen können, auf Schnecken zu treten ist uns einer der grössten Greuel, die diese Welt bietet, wir sagen ihr, dass sie besser aufpassen soll und sammeln selber auch, wie Mutti haben auch wir rasch ein Gefäss gefüllt, Mutti will sie in einen Kehrrichtsack werfen und der Abfuhr mitgeben, wir aber wollen sie nicht töten, sondern aussetzen. Wir gehen mit den Eimern wieder zum Meer, hier hat es aber nur Sand und Wasser, was passiert mit Schnecken, die hier ausgesetzt werden, werden sie sich fortbewegen können, werden sie nicht von der steigenden Flut erreicht, werden sie nicht ertrinken, das sind die schweren Probleme, die uns beschäftigen.

Donnerstag, 4. Juni 2009

Wir sind eingeladen, zu einer Feier, irgendein Fest, Sylvester vielleicht, oder erster Mai, bei alten Bekannten, von denen wir nie erwartet hätten, dass sie uns noch einladen würden, von Leuten, die wir seit zehn oder zwanzig Jahren nicht mehr gesehen haben. Wir kommen viel zu früh, schon um halb sieben Uhr, es ist noch gar niemand da, es ist auch nicht klar, ob überhaupt noch jemand kommen wird. Wer könnte denn da noch diesen alten Verein besuchen. Zunächst sind nur Kinder um uns, wir tollen mit ihnen herum, machen das Kalb, dazu sind wir noch gut, und aus einem Fenster des weitläufigen, alten Gebäudes, einer Art Bauernhaus, grüsst uns ein alter Knabe. Ja, ob wir uns denn nicht mehr erinnern würden, Paris, ja, Paris, irgendeine kleine harmlose Dummheit haben wir mit dieser auf eine verhältnismässig gemütliche Art verlotterten Figur gemacht, in Paris, vor fast vierzig Jahren, er erinnert sich noch immer daran, wir uns nicht mehr, ganz vage fällt uns etwas ein, dann erscheinen doch plötzlich Gäste, und der Empfang nimmt Formen an. Eine kleine, seltsam gekleidete, noch junge Frau präsentiert sich als russische Adelige, von sehr altem Adel, Künstlerin, Prophetin, wir stehen im Freien, auf einer Wiese in einem Obstgarten, Stühle stehen herum, Bänke, weitere Leute erscheinen, es wird auf einmal interessant, ganze Gruppen erscheinen nun, zwei Herren mit markanten Gesichtern, führende Architekten, sagt man mir, dann wieder rätselhafte Frauen, alle aus der Stadt, sagt man, und alle durchaus zugänglich, diese Abende seien bekannt dafür, dass man ganz zwanglos mit den grössten Berühmtheiten und den unzugänglichsten Dichtern und Denkern verkehren könne. Wir sollen uns nur zu ihnen setzen, sagt man uns, sie würden gerne mit uns reden, wie wenn sie alte Freunde wären, jeder, der hier erscheine, würde diese Spielregeln beachten. Wir entscheiden uns für zwei schlanke, blonde junge Herren mit ganz vergeistigten Gesichtern, hochbegabte Pianisten sagt man uns, ganz ausserordentliche Menschen. Wir setzen uns zu ihnen, in einem der hinteren Bereiche der Liegenschaft steht nämlich ein Flügel, auf dem sie nun eine ihrer Kompositionen darbieten wollen, nicht für die Gäste, sondern mehr nur für sie selber. Wir tun so, als ob wir sehr sachkundig wären und gebärden uns als Musikliebhaber, da findet uns unsere Gattin und setzt sich zu uns und will auch zuhören.