Freitag, 28. September 2007

Wir nehmen an einer feierlichen Abdankung teil. Ein grosser Herr ist gestorben, alter Adel, Staatsmann, Diplomat, Historiker. Die Veranstaltung findet auf seinem Landsitz statt, der aus Schloss, Kirche und verschiedenen anderen Gebäuden besteht, die durch Innenhöfe und Parkanlagen miteinander verbunden sind.
Ich habe im Auftrag meines Vorgesetzten für unsere Institution einen Nachruf verfasst und weiss nun nicht so recht, was eigentlich geplant ist. Ich ging davon aus, dass ich diesen Nachruf hätte verlesen sollen, bin aber froh, dass es anders kommt, denn ich stelle in der Kirche fest, in der sich der engere Kreis der Angehörigen und Gäste versammelt, dass ich einen anderen Text bei mir habe. Den eigentlichen Nachruf habe ich im Auto in einer Mappe liegen gelassen.
Niemand kümmert sich um mich, niemand kennt mich, niemand erwartet etwas von mir. Eine sehr vornehme Erscheinung, ein Sohn, leitet die Veranstaltung ein und erteilt einigen wenigen berühmten Verwandten und Ehrengästen das Wort. Er wisse, dass jeder etwas sagen könnte, sagt er, aber es sei unmöglich, hundert Gästen einzeln das Wort zu erteilen. Das ist uns auch recht, wir sind erleichtert und nehmen uns sogar die Freiheit heraus, aufzustehen und den Festsaal zu verlassen. Draussen wartet mein Vorgesetzter, der mir den Auftrag zum Nachruf erteilt hat. Er hat es gar nicht erst gewagt, an der Veranstaltung teilzunehmen.
Wir spazieren durch die Anlagen, er zeigt mir ein kleines Buch, in welchem die Würdigungen des grossen Verstorbenen bereits publiziert worden sind. Wir sehen nach, ob jemand meinen Text verwendet hat, das wäre ja immerhin möglich. Vielleicht Tim Guldimann, sagen wir, der hohe Diplomat? Unser Text ist nicht zu finden, Tim Guldimann hat einen eigenen Beitrag geschrieben. Ich finde mich damit ab und bin erleichtert, denn in diesen Kreisen habe ich nichts zu suchen, und es ist Anmassung, hier etwas sagen zu wollen. Vermutlich wäre das, was ich vorbereitet habe, auch ganz klar neben den anderen Beiträgen abgefallen und man hätte klar gesehen, dass hier etwas abgeliefert wurde, das gar nicht erwünscht war. Dass ich es geschrieben habe, ist auf meinen übervorsichtigen Vorgesetzten zurückzuführen, der glaubte, wir müssten hier in Erscheinung treten, der aber nun trotz seiner hohen Position selber keinen Zutritt zu dieser wahrhaft exklusiven Gesellschaft findet.

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