Montag, 23. Dezember 2024

 

Ich bin, als alter Erdwissenschafter, allein unterwegs im Gebirge und treffe dabei auf einen anderen Wanderer, einen Herrn im besten Alter, mit dem ich mich längere Zeit sehr gut unterhalte. Es ist ein ruhiger, sehr verständiger und naturverbundener Mensch, einfach gekleidet, in der Art der hier lebenden Bauern. Er teilt meine Interessen und gibt mir auf meine Fragen kluge Antworten. Wir verabschieden uns, ohne dass wir uns weiter bekannt gemacht haben. Wenig später komme ich, in den Voralpen, zu einem grossen Bauernhof. Ich kenne den alten Besitzer aus früheren Zeiten. Obwohl wir uns seit vierzig Jahren nicht mehr gesehen haben, begrüsst er mich wie einen alten Freund. Ich erkundige mich nach seinem Befinden. Es gehe ihm gut, sagt er, er arbeite noch immer den ganzen Tag auf seinem Gut. Er weiss um meine Studien und lädt mich ein, einige Tage bei ihm zu verbringen. Ich nehme das Angebot gerne an, zumal jetzt auch der Wanderer erscheint, den ich im Gebirge getroffen habe. Er begrüsst mich nicht, weil er die Unterhaltung, die ich führe, nicht unterbrechen will. Aus der Ruhe und der Selbstverständlichkeit, mit der hier gelebt wird, muss ich schliessen, dass es der Sohn des Hauses ist. Man führt mich auf mein Zimmer und ruft mich später zum Essen. Zum Speisesaal führen mehrere Türen. Eine würdige ältere Frau, die Haushälterin, zeigt mir, durch welche Türe ich als Gast in den Speisesaal treten muss. Ich weiss schon und bin darauf vorbereitet, dass beim Essen nur wenig gesprochen wird und eine sehr alte, überaus vornehme, in weisses Linnen gekleidete Dame den Vorsitz führen wird. Die Welt, in der ich mich hier bewege, ist eine Adalbert-Stifter-Welt.

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