Wir
gehen aus, meine Frau und ich, in unserer Stadt, wo wir sonst kaum je und immer
nur ungern ausgehen, und dazu noch in ein Musical, und Musicals finden wir
schrecklich und sehen wir doch nie. Jetzt aber gibt es eine Aufführung, die
sehr gelobt wird und doch recht interessant zu sein scheint, zu der wir zudem
ein Gratis-Billett haben. Wir sind schon in der Stadt, viel zu früh, 45 Minuten
zu früh, was aber vielleicht ganz gut ist, denn wir müssen ja noch das
Gratis-Billett umtauschen und ein zusätzliches Billett kaufen. Auf dem Weg zum
Theater sehen wir uns noch in aller Ruhe Schaufenster an, an einem exklusiven,
sehr teuren Geschäft mit Kosmetikprodukten und Beratungsangeboten gehen wir
schnell vorbei, stehen dann aber vor anderen Auslagen still, besehen uns
Schuhe, Hüte, Handtaschen, Vasen und Objekte, von denen wir nicht wissen, ob es
nun Handtaschen oder Vasen sind. Dann kommen wir zum Theater, die Kasse ist
geöffnet, eine Dame erklärt uns sehr freundlich das Platzangebot. Das
Gratis-Billett könne für alle Preiskategorien eingetauscht werden. Sie glaubt,
dass wir von der Presse sind und will uns Plätze auf der Pressetribüne geben.
Dieses Angebot lehnen wir aber ab. Dann vielleicht hier, auf der Bühne, oder
dort, direkt bei den Musikern? Es ist eine neuartige, interessante Aufführung
mit Zuschauerplätzen, die mitten im Theatergeschehen sind. Einen solchen Platz
wollen wir aber auch nicht und wählen schliesslich eine relativ traditionelle
Platzierung, in einer der Reihen vor der Bühne, wo wir glauben, dass man uns
nicht von allen Seiten her sieht. Jetzt ist es sieben Uhr, die Vorstellung
beginnt in einer halben Stunde, Zuschauer sind noch nicht erschienen. Wir
freuen uns halbwegs auf diese Aufführung und gehen davon aus, dass sie uns
gefallen wird, es kann nicht schaden, wenn man einmal etwas Neues und
Ungewöhnliches sieht.
Donnerstag, 8. Mai 2014
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