Mittwoch, 29. Dezember 2010

Wir verfehlten eine Ausfahrt, verirrten uns und hielten am Ende auf einer kleinen Landstrasse an. Wir hätten irgendwo ein Phantom beschaffen sollen, eines von diesen Übungsgeräten, mit denen die Samariter und die Sanitätssoldaten die Beatmung von Bewusstlosen üben konnten, einen zusammensetzbaren Kopf aus Kunststoff, mit beweglichem Kiefer und einer auswechselbaren Mund- und Nasenpartie aus Gummi, in deren Löcher man blies, um damit eine „Lunge“ zu füllen, ein Plastiksäcklein, das sich hob und senkte und nach einiger Zeit ausgewechselt werden musste, weil sich kleine Wassertropfen in ihm ansammelten. Ein solches Phantom nun fehlte uns dringend, wir waren nämlich beauftragt worden, ein solches Gerät für die Parteiarbeit zu holen, die sozialdemokratische Partei des Dorfes, in dem wir lebten, wollte ein solches Gerät, nicht in Ausleihe, sondern als ständigen Besitz. In unserer Verlegenheit sagten wir, wir würden ein Phantom selber herstellen, das sei ganz leicht. Man war ziemlich erstaunt über diese Ansicht und fragte uns, wie wir denn das machen wollten, mit etwas Lehm, sagten wir, mit Lehm würde das gehen. Man zeigte uns sodann einen Bauernhof, wo es vermutlich Lehm geben würde, wir waren uns aber am Ende nicht so sicher, ob wir damit tatsächlich ein Phantom fabrizieren könnten, und überlegten uns, wie wir uns am besten aus der Affäre zu ziehen vermöchten, vielleicht durch einen Austritt aus der Partei, dachten wir, und besahen uns nachdenklich ein grosses Buch, in welchem in schöner Blockschrift die Namen der Mitglieder verzeichnet waren, eine lange Liste voller ehrwürdiger Persönlichkeiten, aus deren Kreis wir uns doch wohl nicht verabschieden konnten.

Sonntag, 19. Dezember 2010

Wir leben in einer sehr strengen religiösen Ordnung, wer sich nicht zum wahren Glaubenbekennt, wird gnadenlos verfolgt, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Wir sehen, dass ein Kind beschuldigt wird, wollen es retten und fliehen mit ihm. Wir kommen aber nicht weit, denn wir gehen zu Fuss und die Verfolger sind in der Überzahl. Bewaffnete holen uns ein, wir entkommen, werden aber wieder gefasst. Eine Flucht ist völlig aussichtlos, wir ergeben uns. Was macht ihr jetzt mit uns, fragen wir. Müssen wir sterben? Nein, sagen die Sicherheitskräfte, diese harten Zeiten sind vorbei. Ihr werdet sicher streng bestraft, aber sterben müsst ihr nicht. Später stossen wir auf eine Bibelstelle, die uns tröstet und uns Hinweise für unser Verhalten gibt. Irgendwo im Alten Testament, an einer entlegenen Stelle, ist ein Text zu finden, der sich so auslegen lässt, dass man, wenn man in Zeiten der Verfolgung gezwungen wird, den Glauben zu verleugnen, diesen Glauben auch verleugnen darf oder sogar muss. Also, denken wir, ist uns eine weitere Existenz in diesem unduldsamen System möglich.

Dienstag, 14. Dezember 2010

Maturaklasse-Treffen, Grill-Party an einem Dorfrand, die Zusammenkunft ist ein grosser Erfolg, die alten Herren sind begeistert. Sie wollen gar nicht mehr auseinandergehen, sondern noch viel unternehmen und erfinden immer wieder neue Beschäftigungen. Genau genommen sind es aber etwas kopflose Bestrebungen, die vielleicht gerade deshalb sogar noch weitere Menschen anziehen, die mitmachen wollen. Wir sind unversehens eine grössere Gruppe, eine richtige „Bewegung“, für die wir nun auch einen Namen suchen. Es werden zwei Vorschläge gemacht, ein erster wird fallengelassen zugunsten des zweiten: „Die Eisenbahner“. Die Grillparty wird grösser und verläuft wunderbar, bis auf die Getränke. Es fehlen die Getränke, weil uns die Gemeinde die Bewilligung für deren Abgabe nicht erteilt hat. Dann aber, um Mitternacht, fehlt plötzlich eine uralte und leicht verwirrte Grossmutter, was zu einer grossangelegten Suchaktion in der weitläufigen Umgebung führt. Jetzt sind wir in unserem Element, wir streifen durch die Gärten und Wohnsiedlungen und durchsuchen auch ein abschüssiges und gefährliches Gelände am Rande des Dorfes. Die Grossmutter wird nicht gefunden, dafür gibt es jetzt Musik. Um zwei Uhr am Morgen nehmen kluge Köpfe eine Lautsprecheranlage in Betrieb, die Eisenbahner und die Zugelaufenen sind entzückt, stehen herum, hören Musik, man dreht die Boxen voll auf, bis eine „Eisenbahnerin“ herbeirennt und die Anlage abstellt, weil es heftige Reklamationen der Anwohner geben würde. Es ist zwei Uhr am Morgen, und haben das ganze Dorf aus dem Schlaf gerissen. Das sorgt nun doch für etwas Einsicht, und die Zusammenkunft findet gezwungenermassen langsam ein Ende. Es liegt aber noch viel Material und Abfall herum, Spielsachen für Kinder, Esswaren, ein Grill, und es ist nicht zu sehen, wer das alles aufräumen wird. Und die alte Frau wird noch immer vermisst. Trotzdem sind wir guter Dinge. Wir haben etwas geleistet, den Menschen hat es gefallen, und unsere Bewegung wird gewiss Zukunft haben. Wir „Eisenbahner“ sind Herren von altem Schrot und Korn, die noch wissen, wie man etwas anpacken muss. Solche Vorbilder fehlen heute, und wir sind überzeugt, dass unsere Bewegung eine Zukunft haben wird.

Freitag, 3. Dezember 2010

Wir sind Soldat, befinden uns mit anderen Kameraden in einem grossen kahlen Raum in einer Kaserne. Wir machen dort etwas sehr Dummes, begehen einen schweren Verstoss gegen die Dienstvorschriften, mit Beleidigung eines dieser unerbittlichen jähzornigen Vorgesetzten, die wir aus Filmen kennen. Die schwere Tür wird mit einem Knall geschlossen, der Schlüssel umgedreht, wir sind nun erst mal gefangen und haben vermutlich eine strenge Bestrafung zu erwarten. Es könnte eine sehr schwere Bestrafung geben, womöglich eine Auspeitschung mit Eisenketten, solche Strafen sind üblich, und sie können sogar tödlich enden. Wir sitzen fest und erwarten unruhig das Kommende, es ist nicht ganz sicher, was geschehen wird, vielleicht haben wir auch Glück und kommen ungeschoren davon, weil die hohen Herren andere Sorgen haben.