Mittwoch, 18. November 2009

Wir sind Mitglied einer grösseren Gruppe, Dorfbewohner, undefinierbares Gemisch, irgendwo auf dem Lande. Man zieht aus, macht einen Ausflug zu einem Heiligtum, das auf einem kleinen Hügel liegt, eine schmale gewundene Strasse führt hinauf. Mit uns geht auch eine Frau, die schon als Hexe verurteilt ist und ein ungewisses Schicksal erwartet. Wir wissen, dass diese Verurteilung ganz unsinnig und ungerecht ist und zeigen dies auch durch eine gewisse, aber eigentlich kaum spürbare Distanz zu den Hexenjägern. Die Leute spüren aber, dass wir zweifeln, und einer sagt ganz offen, dass wir der nächste seien. Du bist der nächste, der an die Reihe kommt. Wir kommen ans Ziel, die Gesellschaft geht zunächst in die oberen Geschosse des Heiligtums, das aus hohen Mauern und Türmen besteht und einst ein Kloster gewesen ist. Wir sondern uns ab, gehen in die Krypta, die sehr weitläufig ist, eine lange, tiefe Halle, in der es Bänke gibt, auf denen sich Besucher niedergelassen haben. Ganz vorne gibt es breite Fenster, die eine schöne Aussicht bieten. Wir gehen zu diesen Fenstern, vorbei an Frauen mit Kindern, jemand hat ein grosses Radio aufgestellt, aus welchem unverschämt laut Popmusik dröhnt. Wir könnten jetzt eigentlich fliehen, könnten uns verabschieden von dieser düsteren beschränkten Gemeinschaft, in der wir leben und gefährdet sind. Wir bleiben aber, gehen in der Krypta herum, gehen an einem grossen Spiegel vorbei, in dem wir uns kurz erblicken. Was wir sehen, gefällt uns nicht. Wir machen einige Schritte zurück und sehen uns genauer an. Eine ziemlich verlotterte Erscheinung, klein, hässlich, eine widerliche Jacke, ein dickes Halstuch und fettige Haare, die bis auf die Schulter fallen. Wir sind entsetzt, wir hatten ein ganz anderes, besseres Bild von uns, glaubten uns eleganter und gediegener. Wenn wir so aussehen, wie wir hier im Spiegel erscheinen, müssen wir uns nicht wundern, wenn man uns ausgrenzt und verfolgt.

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