Sonntag, 18. Oktober 2009

Dann sitze ich einer Mutter gegenüber, Alleinerziehende, schlank, nicht unschön, aber mit verbitterten und enttäuschten Zügen. Mit ihrem Sohn ist leider etwas ganz Unerfreuliches passiert, ich bin sein Klassenlehrer und muss den Fall nun mit der Mutter besprechen. Ich habe sie vor dem Schulhaus getroffen und sie zum Sitzen eingeladen, auf einer Parkbank, was sehr intim wirkt. Wir bilden fast ein Liebespaar, das spüren beide. Es geht aber leider um etwas sehr Ernstes. Soll ich zuerst meinen Standpunkt darlegen, sage ich. Ja, sagt sie. Ich bin gut vorbereitet und habe alles, was ich sagen will, genau im Kopf. Also zuerst, sage ich, möchte ich vorausschicken, dass ich die Klasse zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt übernommen habe, nämlich zwei Tage vor dem Klassenlager. Und dabei erst noch direkt vor der Matur, fügt sie bei. Ja, natürlich, direkt vor der Matur, sage ich und sehe ihr in die besorgten Augen. Und hinzu kommt auch, dass es zwei weitere Problemfälle gibt, die sogar noch grösser sind als der Fall mit ihrem Sohn. Sie schaut uns verständnisvoll an, das beruhigt uns, wir denken, dass nun das Gespräch doch wohl in guten Bahnen verlaufen wird, auch wenn wir eigentlich überhaupt nicht im Bild sind, was denn eigentlich passiert ist.

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