Samstag, 23. Mai 2020


Ich hatte einen ernsthaften Streit mit meinem Vorgesetzten, einem energischen, unberechenbaren Chef, der durchaus fähig ist, Leute, die er nicht mag, aus seinem Dienst zu entfernen, auch wenn es Beamte sind, die für vier Jahre gewählt worden sind. Der Streit drehte sich um Kleinigkeiten. Er sah eine angebrochene Packung Darvida-Biscuits und verbot mir zornig, diese kleinen Gebäcke weiter zu essen. Ob er glaube, mir verbieten zu können, was ich essen dürfe, hatte ich ihn gefragt. Das war eine Beleidigung, die er mir vielleicht nicht verzeiht. Ich versuche also, ihn wieder zu treffen und gehe am Abend, es ist etwa 19 Uhr, nochmals im Hohen Hause vorbei. Ich komme, seltsamerweise, ohne Kontrolle durch den  Haupteingang. Es herrscht noch etwas Betrieb, weil noch eine Kommissionssitzung im Gang ist. Ich will mit dem Lift in den zweiten Stock fahren, und sehe dabei, wie ein Weibel einen Würdenträger, wohl einen ausländischen Botschafter, aus dem Haus begleitet. Der Diplomat ist in einen roten, gestickten, altertümlichen Mantel gekleidet und hat ein orientalisches Aussehen. Ich fahre sodann hinauf und gehe zum Büro meines Chefs. Auf dem Weg aufgeregte Leute, eine junge Frau rennt vorbei, offensichtlich eine der neu gewählten Nationalrätinnen. Ihr Mann hütet in einem der hohen Korridore ihr Kind. Dann treffe ich einen alten Bekannten, ein einst sehr lebhaftes, humorvolles Ratsmitglied, mit dem ich vor vielen Jahren befreundet war. Er ist jetzt sehr betagt und erinnert sich nicht mehr an meinen Namen, verspricht aber, sich bei mir zu melden. Trotz seines Alters treibt er sich hier noch herum, offenbar mit irgendeinem Mandat als Berater. Dann komme ich zum Büro meines Vorgesetzten. Ich treffe ihn, wie er mit Gattin und kleiner Entourage aus der Türe tritt und nach Hause gehen will. Ich trete hinzu und sage, dass ich mich entschuldigen möchte für die heutigen Diskussionen, ich hätte Worte gebraucht, die ich jetzt bereuen würde. Er murmelt schnell etwas. Es ist nicht zu sehen, ob er die Sache schon beinahe vergessen hat und sie nicht weiter wichtig ist, oder ob er sie für unverzeilich hält und weitere Schritte unternehmen will. Ich laufe der Gruppe hinterher und rede noch mit einer Dame seiner Entourage, die je nach den Umständen einigen Einfluss auf ihn hat. Ich sage ihr, dass wir uns wegen einer kleinen Packung Darvida gestritten hätten, dies in der Hoffnung, dass sie vielleicht vermittelnd eingreift. Sie lächelt gütig, ist aber selbstverständlich opportunistische Hofdame und wird gewiss nicht ein gutes Wort für mich einlegen, wenn ihr dies schaden könnte. Ich gehe noch zu meinem Büro, das sich auf der gleichen Etage befindet. In diesem grossen Raum befinden sich mehrere Arbeitsplätze, die aber nur zu gewissen Zeiten von meinen Mitarbeitern belegt sind. Die Türe steht offen, und zu meinem Erstaunen ist das Zimmer jetzt belegt mit Leuten, die für die Kommissionssitzung arbeiten. Einer, der an meinem Platz sitzt, ist ein Lobbyist und erklärt, er arbeite für die Firma Wander. Ob sie auch morgen noch hier seien? Ja, sagt man mir, die Sitzung sei zweitägig. Das sind unglaubliche Zustände. Es sieht so aus, als ob ich morgen keinen Arbeitsplatz hätte. Ich frage mich, ob ich vielleicht zu Hause arbeiten sollte, obwohl dies ganz unüblich wäre.

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