Samstag, 30. Mai 2020


Ich gebe persönliche Akten in der Nationalbibliothek ab, die nicht nur eine Bibliothek ist, sondern auch eine militärische Einrichtung mit Staatsschutz-Aufgaben. Ich deponiere die Akten an einem Schalter direkt in einer Hängeregistratur, die die Dokumente nachher automatisch weitertransportieren kann. Dabei bin ich etwas ungeschickt, und einzelne Zettel fallen hinter dem Schalter zu Boden in einem Bereich, den ich nicht betreten kann. Es entsteht Unruhe, fast schon Alarmstimmung. Man sucht nach Personal, das die Papiere auflesen kann. Man sagt, dass Radek kommen müsse. Radek erscheint, ein grosser, hinterhältig-freundlich lächelnder Mann. Es ist, wie man mir bestätigt, Karl Radek, der hier nach seiner langen Karriere als Revolutionär, eine Stelle angenommen hat. Er lächelt, weiss sofort, dass diese Papiere verdächtig sind und untersucht sie nun. Ich sage zu meiner Gattin, die hinzukommt, dass dieser Mann Radek sei, derselbe Radek, von welchem ich eine grosse Biografie besitze. Einst ein sehr gefährlicher Mann, der gefährlichste Mann der Welt. Noch immer wirkt er sehr jugendlich und ungezogen. Wie kommt es, dass er hier eine doch wohl subalterne Stellung bekleidet? Jetzt öffnet er ein verschlossenes Couvert, das aus meinen jungen Jahren stammt und ich seit Jahrzehnten aufbewahrt habe. Er besieht sich den Inhalt (es sind Präservative), grinst konspirativ und legt das Couvert wortlos wieder zu den anderen Dokumenten. Es ist klar, dass er jetzt etwas gegen mich in den Händen hat. Später treffe ich Radek wieder an einer grossen Party, die in einem Haus mit grossem Garten stattfindet. Ich trage einen Regenschirm bei mir, den ich gerne irgendwo hinstellen würde. Ich stecke ihn schliesslich, in Ermangelung anderer Möglichkeiten, in den Rasen. Radek tritt hinzu, nimmt den Schirm und steckt ihn in einen nur wenige Meter entfernten schirmständer, den ich übersehen hatte. Ich bin verlegen, dass er mir so helfen muss und auch verunsichert, weil ich nicht glaube, dass er mir freundlich gesinnt ist.

Samstag, 23. Mai 2020


Ich hatte einen ernsthaften Streit mit meinem Vorgesetzten, einem energischen, unberechenbaren Chef, der durchaus fähig ist, Leute, die er nicht mag, aus seinem Dienst zu entfernen, auch wenn es Beamte sind, die für vier Jahre gewählt worden sind. Der Streit drehte sich um Kleinigkeiten. Er sah eine angebrochene Packung Darvida-Biscuits und verbot mir zornig, diese kleinen Gebäcke weiter zu essen. Ob er glaube, mir verbieten zu können, was ich essen dürfe, hatte ich ihn gefragt. Das war eine Beleidigung, die er mir vielleicht nicht verzeiht. Ich versuche also, ihn wieder zu treffen und gehe am Abend, es ist etwa 19 Uhr, nochmals im Hohen Hause vorbei. Ich komme, seltsamerweise, ohne Kontrolle durch den  Haupteingang. Es herrscht noch etwas Betrieb, weil noch eine Kommissionssitzung im Gang ist. Ich will mit dem Lift in den zweiten Stock fahren, und sehe dabei, wie ein Weibel einen Würdenträger, wohl einen ausländischen Botschafter, aus dem Haus begleitet. Der Diplomat ist in einen roten, gestickten, altertümlichen Mantel gekleidet und hat ein orientalisches Aussehen. Ich fahre sodann hinauf und gehe zum Büro meines Chefs. Auf dem Weg aufgeregte Leute, eine junge Frau rennt vorbei, offensichtlich eine der neu gewählten Nationalrätinnen. Ihr Mann hütet in einem der hohen Korridore ihr Kind. Dann treffe ich einen alten Bekannten, ein einst sehr lebhaftes, humorvolles Ratsmitglied, mit dem ich vor vielen Jahren befreundet war. Er ist jetzt sehr betagt und erinnert sich nicht mehr an meinen Namen, verspricht aber, sich bei mir zu melden. Trotz seines Alters treibt er sich hier noch herum, offenbar mit irgendeinem Mandat als Berater. Dann komme ich zum Büro meines Vorgesetzten. Ich treffe ihn, wie er mit Gattin und kleiner Entourage aus der Türe tritt und nach Hause gehen will. Ich trete hinzu und sage, dass ich mich entschuldigen möchte für die heutigen Diskussionen, ich hätte Worte gebraucht, die ich jetzt bereuen würde. Er murmelt schnell etwas. Es ist nicht zu sehen, ob er die Sache schon beinahe vergessen hat und sie nicht weiter wichtig ist, oder ob er sie für unverzeilich hält und weitere Schritte unternehmen will. Ich laufe der Gruppe hinterher und rede noch mit einer Dame seiner Entourage, die je nach den Umständen einigen Einfluss auf ihn hat. Ich sage ihr, dass wir uns wegen einer kleinen Packung Darvida gestritten hätten, dies in der Hoffnung, dass sie vielleicht vermittelnd eingreift. Sie lächelt gütig, ist aber selbstverständlich opportunistische Hofdame und wird gewiss nicht ein gutes Wort für mich einlegen, wenn ihr dies schaden könnte. Ich gehe noch zu meinem Büro, das sich auf der gleichen Etage befindet. In diesem grossen Raum befinden sich mehrere Arbeitsplätze, die aber nur zu gewissen Zeiten von meinen Mitarbeitern belegt sind. Die Türe steht offen, und zu meinem Erstaunen ist das Zimmer jetzt belegt mit Leuten, die für die Kommissionssitzung arbeiten. Einer, der an meinem Platz sitzt, ist ein Lobbyist und erklärt, er arbeite für die Firma Wander. Ob sie auch morgen noch hier seien? Ja, sagt man mir, die Sitzung sei zweitägig. Das sind unglaubliche Zustände. Es sieht so aus, als ob ich morgen keinen Arbeitsplatz hätte. Ich frage mich, ob ich vielleicht zu Hause arbeiten sollte, obwohl dies ganz unüblich wäre.

Sonntag, 17. Mai 2020


Und schon wieder ein Anlass mit Kolleginnen und Kollegen. Lockere Atmosphäre, man steht herum, im Freien, und plaudert und macht Sprüche. Toiletten sind auch vorhanden, in einem Häuschen. Ich sollte pissen, gehe also zu diesem Örtchen. Es ist unglaublich verschmutzt, im Klo steht eine mit Abfall gefüllte Papiertasche, die ganz durchweicht ist. Ich nehme sie heraus und stelle sie ins Freie. Nach erledigtem Geschäft zeige ich sie entrüstet den anderen. Eine Sekretärin erscheint und sagt ganz offen, dass sie die Tasche dort deponiert habe, weil sie eine Rechnung enthalte, die niemand sehen dürfe. So aber sieht sie doch jemand, sage ich, denn ein Hinunterspülen ist doch nicht möglich. Die Dame sucht die Rechnung, nimmt sie heraus und zerreisst sie, ungerührt, selbstbewusst und beleidigt, in kleine Fetzen, und lässt dann ihren grusigen Sack einfach stehen.

Samstag, 16. Mai 2020


Ende eines Anlasses, einer Tagung oder eines Seminars, das in der Ostschweiz stattfindet. Am späteren Abend soll noch ein Geburtstagsfest eines mit mir befreundeten Kollegen stattfinden. Er betreibt offensichtlich einigen Aufwand, denn eine Dorfmusik steht bereit und eine kleine kostümierte Truppe von Tänzern und Tänzerinnen marschiert auf und ab und schwenkt Girlanden. Überall sind Vorbereitungen für Buffets zu sehen. Meine Frau und ich entschliessen uns aber zur Heimfahrt, mit unserem alten Auto. Ich sage meinem Freund, ich sei ja eine Randfigur und werde ja niemanden kennen. Einige Damen aber bestürmen uns, doch zu bleiben. Ich wüsste gar nicht, sagen sie, wie positiv sie über mich denken würden. Jetzt werden erste Reden gehalten, und jeder wird aufgefordert, doch einen kleinen Beitrag tzu leisten. Witzig und geistreich werden Anekdoten aus dem Beamtenleben zum besten gegeben. Auch ich könnte natürlich einiges sagen, man winkt mir aber ab, sagt, es seien jetzt genug Redner eingeschrieben. Die Abfahrt verzögert sich so, findet aber dann doch statt. Eine Kollegin benützt die Fahrgelegenheit und kommt mit, wir müssen sie unterwegs auf ihrem abgelegenen Anwesen absetzen. Wir erhalten darüber hinaus und jeder  Geschenke für einen abwesenden Kollegen, der in grösserer Entfernung auf einem ebenfalls nicht leicht zu erreichenden Bauerhof wohnt. Wir gehen zum Auto, einem Cabriolet, dessen Dach wir offengelassen haben. Von einem leichten Regen sind nun die Sitze nass geworden. Wir trocknen sie und verstauen die Geschenke. Wohin aber sollen wir jetzt fahren? Es ist dunkel, die Strassen sind nicht beleuchtet, und wir haben auch kein Navi. Die Kollegin wohne, sagt man mir, gleich unten, ich solle nur immer der Strasse folgen, die hinab führt. So genau aber ist diese Auskunft nicht. Und was ist mit den Geschenken für den Kollegen? Es sind gewiss dreissig Kilometer bis zu ihm, und zwar nicht in der Richtung, die wir zu unserem Wohnort fahren müssen. Im übrigen wohnt er allein auf einem grossen Gehöft. Es ist fraglich, ob wir ihn dort in der Nacht finden können. Wir entschliessen uns, die Geschenke morgen zu bringen, am freien Samstag. Das ist lästig und wird uns viel Zeit kosten.


Dienstag, 5. Mai 2020


Ich bin unterwegs, irgendwo, in einem Durchgang, der vorne nach rechts abzweigt. Im Gang stehen Soldaten, die sich über Munitionsfragen unterhalten und ein ziemlich lächerliches Bild abgeben. Ich mache zu meinen Kollegen abschätzige Bemerkungen und sage, ich sei wahnsinnig froh, nicht mehr Militärdienst leisten zu müssen. Ein Korporal oder Wachtmeister hält mich an und sagt, er müsse meine Augen kontrollieren, es sei etwas nicht in Ordnung. Ich bin misstrauisch und frage ihn, ob er denn Augenarzt sei. Er ist kein Augenarzt, ich weiche ihm daher aus, nehme mir aber doch vor, demnächst meine Augen kontrollieren zu lassen.

Freitag, 1. Mai 2020


Handball-Weltmeisterschaft der Frauen. Die Schweiz hat ganz ausserordentliche Erfolge und steht im Halbfinal. So grosse Ereignisse interessieren auch mich, ich sehe nicht ohne stolz am TV eine Zusammenfassung des Spiels. Die höchst bemerkenswerte und entscheidende Szene besteht darin, dass unsere Spitzenspielerin gleich drei Bälle miteinander ins Tornetz befördert, und zwar, weil das Tor von den deutschen Spielerinnen verstopft wird, von oben her durch ein Loch im Netz, was gemäss den Regeln offenbar möglich ist. Damit wird die Partie entschieden, und die Schweiz zieht in den Final ein, ein historisches Ereignis, das mich mit grossem Stolz erfüllt.