Montag, 29. Dezember 2014

Auf unerklärliche Weise haben wir irgendwie verschiedene Ämter erhalten, wir sind plötzlich Gemeindepräsident einer grossen Vorortsgemeinde und auch Präsident des israelitischen Gemeindebundes in unserer Stadt. Es findet eine grosse politische Veranstaltung zum Thema Mutterschutz statt, viele Rednerinnen und Redner treten auf, und man erwartet wohl auch von uns eine Stellungnahme oder zumindest ein Schlusswort. Wir haben uns, unseren Würden entsprechend, übertrieben gut angezogen und tragen unseren schwarzen Anzug, dazu Hemd und Krawatte. Glücklicherweise denkt aber niemand daran, uns das Wort zu erteilen. Womöglich will man uns auch damit verschonen. Später steigen alle in Busse und fahren weg, wir atmen auf. Aber wie soll es nun weitergehen? Was haben wir mit diesem Gemeindebund zu schaffen? Man hat uns zum Studium ältere Akten übergeben, die aber nur bis 1987 reichen, und ein Kästchen, in welchem sich eine Medaille befindet. Sie sei für uns, sagt uns ein sehr freundlicher, gebildeter Herr. Ende August, sagt er dann, finde immer eine Vorstandsitzung statt. Aber wer ist in diesem Vorstand, was macht dieser Vorstand, wer lädt ihn zu Sitzungen ein? Und jetzt ist es ja schon Ende August. Gibt es vielleicht einen Sekretär? Wir haben keine Ahnung, was man von uns erwartet. Wir haben doch unsere eigene Welt, haben unsere eigenen Projekte und Interessen! Wir sind verunsichert, fühlen uns aber nicht unwohl, denn man ist freundlich zu uns und deutet an, dass schon alles klappen werde. Vielleicht ist man auch zufrieden und nicht unglücklich, wenn ich so wenig wie möglich mache.

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