Wir
sind im Militär, in einem dreiwöchigen Wiederholungskurs, und rücken jetzt, am
Montagmorgen, nach dem Wochenendurlaub ein, für die dritte und letzte Woche.
Wir gehen mit Kameraden zur Kaserne, sind noch eine halbe Stunde zu früh. Wir
sagen ihnen den Kameraden, dass hier in der Nähe der berühmte M wohne, ein
alter Bekannter von uns, eigentlich fast ein Freund, ein sehr vornehmer
Bekannter, der in ganz anderen Kreisen verkehrt als wir. Wir würden ihn gerne
schnell besuchen und mit ihm ein Treffen vereinbaren, sagen wir unseren
Kameraden, die von ihm auch schon gehört haben und beeindruckt sind, dass wir
ihn persönlich kennen. Wir hatten sein Haus schon vor einer Woche gesucht,
damals aber nicht gefunden. Er wohnt an der Strasse, die zur Kaserne führt.
Jetzt sehen wir uns nochmals sehr genau die Hausnummern an. Diese sind auf eine
ungewöhnliche Weise verteilt, es kommen zunächst höhere Zahlen, dann aber,
unter sie verteilt, wieder kleinere. Eine Systematik ist nicht zu erkennen. Am
Ende finden wir tatsächlich die Nummer 18, ein schönes herrschaftliches Haus,
mit grossem Garten, genau gegenüber der Kaserne. Auf einer kleinen Terrasse,
neben dem Hauseingang, stehen einige sehr vornehme Menschen, denen wir uns kaum
zu nähern wagen. Wir treten aber schliesslich in den Garten und fragen nach M.
Eine sehr schöne Frau, die vielleicht die Frau Mutter ist, gibt uns freundlich
und herablassend Auskunft. M sei nicht da, er sei aber gerade beim Frühstück im
Restaurant nebenan, wir könnten ihn dort treffen. Da wir noch immer glauben,
genug Zeit zu haben, gehen wir in dieses Restaurant, das im Erdgeschoss recht
gewöhnlich aussieht, einfach, etwa so wie ein
Migros-Selbstbedienungsrestaurant, aber ein Untergeschoss besitzt, das eine
vornehme Club-Athmosphäre besitzt und herrschaftliche Ansprüche erfüllt. M
befindet sich dort, er liegt auf einem grossen Ledersofa und ist eingeschlafen.
Vor ihm liegen auf dem Boden weitere Schlafende. Wir steigen über diese hinweg
und erlauben uns, M zu wecken. Er begrüsst uns gnädig und sagt, er wisse es
schon, dass wir kommen würden, man habe es ihm bereits gesagt. Unser Besuch ist
ihm natürlich lästig, wir sind aber auch wirklich furchtbar aufdringlich, wenn
wir so in den Morgenstunden erscheinen, dazu noch in Uniform. Wir könnten uns
am nächsten Mittwoch sehen, sagt M, dann hätte er Zeit. Ob es aber am nächsten
Mittwoch geht, weiss ich noch nicht, es ist möglich, dass wir noch in eine
Verlegung kommen und nicht mehr hier in der Kaserne sind. Ich muss mich jetzt
sehr beeilen und verabschiede mich. Wir bleiben in Kontakt, sagt M auf seine
edle gediegene Art, die aber auch etwas unverbindlich ist. Und dabei
versprechen wir uns von einem Gespräch mit ihm viel, er ist bei weitem der
klügste Mensch, den wir kennen. Auch wir könnten ihm nützlich sein, wenn er das
nur wollte. Der Weg zurück zur Kaserne erweist sich nun als ausserordentlich
beschwerlich, er führt über einen anderen Ausgang in eine riesige Grube, in der
schlechte und glitschige Wege hinaufführen. Wir nehmen zuerst mit zwei älteren
Damen einen Weg, der einfach zu sein scheint, aber am Ende nur zu einem steilen
Abhang führt, bei welchem sich oben Felsbrocken lösen und mit gewaltigen
Sprüngen auf uns zu stürzen. Wir kommen mit Glück nicht zu Schaden und gehen
zurück, nehmen einen der anderen Wege, die so schlecht sind, dass wir den
letzten Teil am Boden ausgestreckt auf allen Vieren kriechen müssen und uns im
Schlamm total verschmutzen. Wir sind überglücklich, als wir am Ende, oben
angelangt, unter unseren Augen Kacheln sehen, wir also einen festen Boden
erreicht haben und aufstehen können. Wir richten uns auf, die Kaserne ist nicht
weit, wir haben aber nur noch fünf Minuten Zeit, und das reicht nicht mehr, um
das Antrittsverlesen zu erreichen. Ausserdem werden wir weiter aufgehalten. Wir
stossen nämlich auf eine schreckliche Tierquälerei. Jugendliche ziehen an drei
Seilen ein Kalb in ein kleines schwelendes Feuer. Das Kalb ist schon angesengt,
wehrt sich aber verzweifelt. Es gelingt ihm immer wieder, aus dem Bereich des
Feuers und der heissen Asche auszubrechen. Wir schreiten ein, rufen, dass das
eine schreckliche Tierquälerei sei, die verboten sei und bestraft werden würde.
Ein Knecht, der die Jugendlichen anleitet, sagt aber, das sei eben eine
Schlachtung, bei ihnen werde immer so geschlachtet. Jetzt steht das gepeinigte
verschreckte Tier wieder im Feuer, es fällt sogar zu Boden, liegt in der Glut,
springt aber todwund wieder auf und will sich retten. Wir wissen nicht wie
weiter, sollten sofort in die Kaserne, um dort den Schaden in Grenzen zu
halten, sollten aber auch hier einschreiten. Aber wie? Das Kalb ist ja schon
halb tot und wird in den nächsten Minuten wahrscheinlich wirklich sterben, da
ist es wohl besser, man lässt den Dingen ihren Lauf.
Dienstag, 22. Januar 2013
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