Montag, 21. August 2017

Jesus ist gestorben, und wir haben vorübergehend seine Leiche zu hüten. Es ist nur noch das Skelett vorhanden, weisse, lose miteinander verbundene Knochen. Sie sollen demnächst ganz verschwinden, das heisst verbrannt und vergraben werden. Wir empfinden Ehrfurcht und Schauder, wir wissen, dass es die Knochen Gottes sind, und wir wissen auch, dass diese Knochen unendlichen Wert haben, allerdings nicht für uns und unsere Zeit, die nichts damit anzugangen weiss, sondern für spätere Zeiten, in denen sich das Christentum entwickelt hat. Über jedem von diesen Knochen und Knochensplittern, denken wir, könnten die mächtigsten Basiliken und Klöster gebaut werden, könnten Wallfahrtsorte und Gnadenorte entstehen. Wir wollen daher für unsere Nachfahren doch etwas beiseite schaffen, ein kleines Kapitälchen, und nehmen den Gotteskopf weg, einen ungewöhnlichen, viel zu grossen Kopf, es ist ein flacher Schädel, der an eine Mitra oder einen seltsamen Fisch erinnert. Aber was tun mit diesem ungeheuren Schatz? Wir bringen ihn weg, in einen anderen Raum, verstecken ihn in einem Kasten, wo er aber nicht sicher genug aufbewahrt ist. Wir packen ihn am Ende in eine Reisetasche und wollen ihn so wegschmuggeln. Das Unternehmen ist nicht besonders riskant, man sieht in der Leiche noch nichts Besonderes, es gibt noch keine Kirche, und man wird es wohl gar nicht merken, dass der Kopf fehlt.

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